Hongkong 02 - Noble House Hongkong
gehabt. Heute morgen habe ich selbst vierzigtausend gekauft.«
»Wie hoch werden die Aktien steigen?« fragte Dianne Tschen.
»Auf das Doppelte!«
»Iiiii«, kicherte sie, »stell dir vor!«
Ja, dachte Dunross, stell dir vor! Ja. Und ihr beide werdet es nur euren nächsten Verwandten sagen, von denen es eine Menge gibt, und die werden es nur ihren nächsten Verwandten sagen, und ihr werdet alle kaufen und kaufen, weil es ein höchst vertraulicher Erfolgs-Tip ist, bei dem nichts passieren kann. Die Tatsache, daß nur die Familie an diesen Transaktionen beteiligt ist, wird sicher durchsickern; mehr und mehr Leute werden einsteigen, die offizielle Veröffentlichung des Par-Con-Geschäftes wird Öl ins Feuer gießen, nächste Woche geben wir das Übernahmeangebot auf Asian Properties bekannt, und dann kauft ganz Hongkong. Der Kurs unserer Aktien wird wie eine Rakete in die Höhe schießen. Im richtigen Moment ziehe ich dann mein Angebot auf Asian Properties zurück und visiere mein eigentliches Ziel an.
»Wie viele Anteile, Tai-Pan?« fragte Philip Tschen.
»Das Maximum. Aber nur innerhalb der Familie. Unsere Aktien werden die Hausse einleiten!«
Dianne machte große Augen. »Wird es zu einer Hausse kommen?«
»Ja. Wir werden sie herbeiführen. Die Zeit ist reif. Da und dort ein kleiner Schubs, und es gibt kein Halten mehr!«
Tiefes Schweigen trat ein. Dunross sah die Habgier auf ihren Gesichtern.
Diannes Finger klickten mit den Jadeperlen. Philip starrte in die Ferne, und Philip wußte, daß der Comprador an die Wechsel dachte, die er, Philip, für Struan’s gegengezeichnet hatte und die in einem Zeitraum zwischen dreizehn und dreißig Tagen fällig werden sollten: zwölf Millionen US-Dollar an die Toda Shipping Industries in Yokohama für die zwei Großfrachter, 6.800.000 US-Dollar an die Orlin International Merchant Bank und 750.000 Dollar an Tsuyan, der ein anderes Problem für ihn gelöst hatte. Vor allem aber würden Philips Gedanken um Bartletts 20 Millionen und die Hausse kreisen – die Verdoppelung des Aktienwertes, die er, Dunross, willkürlich vorausgesagt hatte.
Verdoppelung?
Keine Rede davon – nicht die leiseste Chance! Außer es kommt eine Hausse. Außer es kommt eine Hausse! Dunross fühlte, wie sein Herz schneller schlug. »Wenn eine Hausse kommt … Mensch, Philip, wir können es schaffen!«
»Ja … ja. Ich bin deiner Meinung. Hongkong ist reif dafür.«
»Wie viele Anteile, Tai-Pan?«
»Bis auf den letzten Penny! Daraus machen wir den ganz großen Coup! Aber bis Freitag muß es in der Familie bleiben! Dann, nach Börsenschluß, gebe ich den Bartlett-Deal auf Umwegen bekannt …«
»Ziiiiii«, zischte Dianne.
»Ja. Über das Wochenende gebe ich keine Erklärung ab. Und du sieh zu, daß du nirgends zu finden bist, Philip – Montag morgen wird die Spannung auf den Höhepunkt gestiegen sein. Ich werde immer noch keine Erklärungen abgeben, aber Montag kaufen wir schon offen. Und dann, unmittelbar nach Börsenschluß, werde ich bekanntgeben, daß das ganze Geschäft abgeschlossen ist. Und am Dienstag …«
»… beginnt die Hausse.«
»Das wird ein Glückstag werden«, krächzte Dianne begeistert. »Und jede amah, jeder Hausboy, jeder Kuli und jeder Geschäftsmann, alle werden zu dem Schluß kommen, daß ihr Joss nicht besser sein könnte. Sie werden mit ihren Ersparnissen herausrücken, und alle Kurse werden steigen. Wie schade, daß morgen kein Leitartikel erscheint … oder, noch besser, ein Astrologe in einer der Zeitungen … zum Beispiel Hundert-Jahr-Fong … oder … Wie wäre es mit dem Astrologen, Philip?«
Entgeistert starrte er sie an. »Der alte blinde Tung?«
»Warum nicht? Ein wenig h’eung yau … oder wir versprechen ihm ein paar Aktien. Heya? «
»Also ich …«
»Überlaß das mir. Der alte blinde Tung schuldet mir mehr als eine Gefälligkeit. Ich habe ihm genug Kunden geschickt. Ja. Und er wird ja nicht weit von der Wahrheit entfernt sein, wenn er auf wunderbare Zeichen hinweist, durch die sich die größte Hausse in der Geschichte Hongkongs ankündigt. Hab’ ich recht?«
7
17.25 Uhr:
Der Gerichtsmediziner Dr. Meng betätigte die Scharfeinstellung des Mikroskops und studierte das Scheibchen, das er vom Ohr abgeschnitten hatte. Inspektor Brian Kwok sah ihm ungeduldig zu. Der Arzt war ein pedantischer kleiner Kantonese, der seine Brille auf die Stirn geschoben hatte. Schließlich sah er auf und ließ die Gläser auf die Nase zurückfallen.
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