Honigkäfer (Käfer-Reihe) (German Edition)
hatte, lachte er und küsste sie auf die Stirn. Jeanne lächelte etwas unsicher zurück. Jetzt, wo sein Gesicht wieder so nah war, schätze sie, dass er etwa Mitte zwanzig sein musste. Und er besaß definitiv die fröhlichsten und schönsten blauen Augen, die sie jemals gesehen hatte. Sein Haar reichte ihm nun locker bis über die Schultern und er hatte es nicht wieder in einen Zopf gebunden. Anders als bei Balthasar, dessen etwas kinnlanges Haar aufgrund seiner tiefen Schwärze immer etwas bodenlos und unnahbar wirkte, fand sie, dass Luciens Schopf fast einladend aussah. Sie strich mit einem Finger über die Längen, ohne dass er es bemerkte.
Lucien trug sie die Treppen hinunter bis in die Küche und setzte sie dann einfach auf dem Küchentisch ab.
"Dann schauen wir mal, was Balthasar für Leckereien besorgt hat", sagt er und verschwand in der Vorratskammer. Wieder hörte sie es poltern und musste ungewollt lächeln, weil er einfach immer so stürmisch zu sein schien. Als er wieder auftauchte, hatte er einen Schinken, etwas Brot und eine Flasche Wein dabei. Er lud alles auf dem Tisch neben Jeanne ab und begab sich dann erneut auf die Suche. Schließlich förderte er noch zwei unterschiedliche Stücke Käse und ein Stück Butter zu Tage. Jeanne, die es gewohnt war von Hafergrütze zu leben, lief das Wasser im Mund zusammen. Lucien ging zu dem Schrank hinüber, zog ein paar Holzbrettchen, zwei gläserne Trinkbecher und ein paar Messer hervor und setzte sich an neben Jeanne auf den Tisch, wobei er das Essen sorgsam zwischen sie beide platzierte. Dann entkorkte er den Wein, füllte die beiden Becher zur Hälfte und reichte einen davon zu Jeanne herüber. Sie nahm ihn dankend an, obwohl sie erst zwei Mal in ihrem Leben von diesem teuren Getränk probiert hatte. Lucien hob seinen Becher und nahm dann einen tiefen Schluck.
"Was für ein hervorragender Rotwein", seufzte er. "Balthasar hat wirklich einen guten Geschmack." Bei seinen letzten Worten ruhte sein Blick auf Jeanne, die ebenfalls einen kleinen Schluck nahm.
"Käse? Und etwas von dem Schinken?", fragte er dann. Sie nickte. Er bereitete ihr ein Brettchen voller Köstlichkeiten zu, während Jeanne erneut von dem Wein trank. Seine berauschende Wirkung trat fast augenblicklich ein, da Jeanne es nicht gewöhnt war Alkohol zu trinken. Doch sie musste Lucien Recht geben, der Wein war wirklich ausgesprochen köstlich und so nahm sie direkt noch einen Schluck. Lucien schob ihr das Brettchen herüber.
"Danke, Lucien."
Er lächelte und schnitt sich dann selbst etwas von dem appetitlich aussehenden Schinken ab. Jeanne legte eine Scheibe Käse auf eine helle Scheibe Brot und probierte dann. Das Brot war frisch und der Käse nussig und aromatisch. Jeanne seufzte vor Genuss. Lucien schob sich eine Scheibe Schinken in den Mund und gemeinsam kauten sie in trauter Zweisamkeit.
"Lecker", murmelte Jeanne zwischen zwei Bissen.
"Stimmt", pflichtete Lucien ihr bei, leerte dann sein Glas in einem Zuge und goss sich direkt wieder nach. Er füllte Jeannes Becher wieder auf und widmete sich dann erneut dem Schinken.
Eine Weile aßen sie schweigend, während Jeanne die Wirkung des Alkohols immer deutlicher spürte. Ihre Fingerspitzen begannen zu kribbeln und sie fühlte sich seltsam schwebend, obwohl sie ganz sicher immer noch auf der Tischplatte saß. Prüfend ließ sie die Beine baumeln und ja, sie war sich sicher, dass sie immer noch dort saß. Sie schielte zu Lucien herüber, der sich mittlerweile dem Käse gewidmet hatte. Sein braunes Haar fiel ihm locker um das Gesicht und sie beobachtete seine kräftigen Hände, wie sie geschickt mit dem Käsemesser hantierten. Dann drehte er den Kopf ein Stück und Jeanne sah, dass er seinem Bruder im Profil noch frappierender ähnelte: Dieselbe gerade Nase, das gleiche arrogante Kinn. In dem großen Feuer im Kamin brachen ein paar Scheite zischend ineinander und für einen kurzen Moment fielen die züngelnden Flammen in sich zusammen. Es wurde dunkel im Raum, der braungoldene Schein auf Luciens Haaren erstarb und als er zu ihr herüber sah und sein Haar so dunkel schien, meinte sie, Balthasar zu sehen. Sie starrte ihn an und konnte nicht mehr damit aufhören. Das Prasseln wurde leiser und die Flammen schlugen wieder höher. Lucien setzte seinen Weinbecher ab, glitt vom Tisch hinunter und kam vor ihr zum Stehen.
"Alles in Ordnung?", fragte er. "Für einen Moment sahst du so verschreckt aus."
"Nein", murmelte Jeanne ausweichend. "Es ist
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