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Honigtot (German Edition)

Honigtot (German Edition)

Titel: Honigtot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Münzer
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verspürte, spannte sie sich so lange an, bis ihr der Schweiß auf die Stirn trat. Sie übte verbissen und ab der dritten Woche konnte sie ihre rechte Hand von alleine heben und einzelne Finger der linken Hand. Auch in den Füßen hatte sie schon einiges Gefühl, sie kribbelten fast unentwegt und Marlene konnte etwas mit den Zehen wackeln. Mit entsprechender Unterstützung von Doktor Hondl, war sich Marlene sicher, würde sie schneller Fortschritte machen. Noch aber zögerte sie, sich dem Arzt anzuvertrauen.
    Und dann tauchte Osman eines Mittags bei ihr im Krankenhaus auf. Doktor Hondl hatte Wort gehalten. Allerdings hatte er nicht viel Zeit, er hatte nur zwei Stunden frei und musste Brunnmann dann abholen. Von Osman erfuhr Marlene, dass Deborah, unmittelbar nach Jakobs Tod und noch auf dem Gefängnishof, Greiff mit einem Messer angegriffen hatte. Osman schrieb weiter in seinem etwas abgehackten Stil in das Notizbuch, das er immer bei sich trug: Ich konnte verhindern, weil angekommen und Absicht von Deborah erkannt. Ich gehe zwischen. Allah sei Dank, niemand Messer gesehen, nur Osman. Greiff sehr amüsiert. Ich Deborah zum Wagen gebracht. Sie danach lange krank. B. befahl mir, sie nach München bringen. “
    „Tapferes Mädchen! Sehr schade zwar, dass sie Greiff nicht erwischt hat, aber es wäre auch ihr Tod gewesen. Wie geht es ihr jetzt?“
    Osmans Gesicht nahm einen grimmigen Ausdruck an. Er schrieb: Nicht gut. Wird bewacht, darf nicht aus Haus und muss alles tun, was B. befiehlt, sonst er bringt kleinen Bruder in KZ.
    „Schwein bleibt Schwein“, sagte Marlene grimmig. „Das heißt, ihr habt gar nicht mehr versucht, das Protokoll zu stehlen?“
    Osman schüttelte den Kopf. Er schrieb: Wenn ich versuche und dabei erwischt, dann D. allein. Ich D. schützen. D. wie Tochter! Osman unterstrich die letzten drei Worte energisch.
    „Ich verstehe. Wie lange bleiben Brunnmann und du in Krakau?“
    Sieben Tage, dann Warschau. Aufstand in Ghetto. B. sagt, Mitte Mai zurück München.
    „Aufstand im Ghetto Warschau? Was weißt du noch?“
    Schlimm. Deutsche werfen Bomben auf Ghetto. Aber Krieg für Deutsche viel schlecht.
    „Weißt du noch mehr? Kannst du mir wenn möglich eine tschechische Zeitung bringen?“ Marlene merkte jetzt erst, wie ausgehungert sie nach Informationen war.
    Osman versucht. Kommt wieder. Morgen.
     
    * * * * *
     
    Doch er kam nicht mehr zurück. Noch einmal bat Marlene Doktor Hondl, beim Grand Hotel nachzufragen, doch diesmal war ihm das Risiko zu hoch.
    Erneut blieb Marlene nichts als Ungewissheit. Dafür setzte sie ihr heimliches Training fort. Anfang August konnte sie bereits beide Arme heben und das linke Bein anwinkeln. Im September meinte die Schwester während des Umbettens zu ihr: „Komisch, Sie sehen irgendwie besser aus. Kräftiger.“ Marlene blieb beinahe das Herz stehen. Und übte weiter.
    Ende Oktober, frühmorgens um fünf, stand dann plötzlich Deborah vor ihr. Sie trug eine einfache Wollhose und Jacke und eine Schiebermütze.
    Marlene glaubte nicht, was ihre Augen sahen. „Du?“, fragte sie ungläubig. Deborah warf sich sofort ungestüm mit dem ganzen Körper auf sie, schluchzte „Oh Marlene!“, und heulte die nächsten Minuten hemmungslos.
    Marlene freute sich mehr, sie zu sehen, als sie gedacht hätte. Sie musste sich zwingen, nicht den Arm zu heben, um Deborah über den Rücken zu streichen. Sie hütete sich, ihre neu erworbenen Fähigkeiten zu zeigen. Aber sie bewegte kaum merklich ihren Kopf. Im Türrahmen stand Osman. Er wirkte nicht sehr froh.
    Endlich beruhigte sich Deborah. Sie trocknete ihre Tränen an Marlenes Bettdecke und richtete sich auf. „Sieh dich an, du Arme.“
    „Wie kommst du bloß hierher, Deborah?“
    „Mit Osman, natürlich.“ Deborah schälte sich aus ihrer Jacke und warf sie aufs Bett.
    „Das sehe ich, aber Osman meinte beim letzten Mal, Brunnmann hätte dich in München im Haus eingesperrt?“
    „Ich hatte genug vom Eingesperrtsein. Seit Osman mir berichtet hat, dass du lebst und hier in Krakau im Krankenhaus liegst, wusste ich, dass ich dich sehen musste. Also habe ich monatelang die Reumütige gespielt. Wozu habe ich Dramatik und Schauspiel studiert, wenn ich es nicht im echten Leben anwenden soll? Albrecht hat es geschluckt und mich diesmal wieder mitgenommen.“
    „Irgendwie glaube ich das nicht. Dafür ist er zu klug. “
    „Stimmt, eigentlich darf ich das Hotel nicht verlassen. Albrecht ist mit dem Gouverneur von Krakau,

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