Honor Harrington 14. Honors Krieg
die Originale der manticoranischen Kommuniques zeigte, war es zu spät. Die Navy hatte sich in Bewegung gesetzt, und vom Haven-System aus konnte sie niemand rechtzeitig zurückrufen, um den Donnerkeil noch vom Einschlag abzuhalten.
Eines musste er sich eingestehen: Er hätte der Entwicklung Einhalt gebieten können, bevor sie einsetzte. Hätte sie stoppen können, bevor Pritchart je in der flammenden Majestät ihrer rechtschaffenen Empörung vor den Kongress getreten war und die manticoranische ›Falschheit‹ dargelegt hatte. Und vor allem: bevor sie mit ihrer Bitte um Genehmigung eines Vorgangs, der auf eine Kriegserklärung hinauslief, eine Stimmenmehrheit von mehr als fünfundneunzig Prozent erreicht hatte. Doch selbst danach hätte Giancola den Krieg noch verhindern können, wäre er bereit gewesen, sein Tun zu gestehen und die Folgen zu tragen, bevor der Ausführungsbefehl an Javier Giscard gesandt wurde.
Aber das hatte er unterlassen, und er unterließ es noch immer. Zum größten Teil, das erkannte er mit düsterer Ehrlichkeit, war sein Verhalten auf Selbsterhaltung und Ehrgeiz zurückzuführen. Schande und ein totaler, unwiderruflicher Verlust der Macht wären das Mindeste, womit er rechnen müsste. Ein Prozess samt Verurteilung war höchst wahrscheinlich, da konnte er noch so energisch anführen, er habe schließlich kein einziges Gesetz gebrochen. Nichts davon war er bereit hinzunehmen.
Trotzdem, es steckte noch mehr dahinter. Er hatte diesen Krieg zwar nicht geplant, aber das bedeutete längst nicht, dass er eine Katastrophe darstellte. Gewiss hatte er die diplomatische Korrespondenz mit den Manticoranern manipuliert, gleichwohl hatte er mit seinen Änderungen nicht zwingend die Endziele der manticoranischen Regierung verfälscht. High Ridge und seine Verbündeten mochten schwach und prinzipienlos sein, doch die expansionistischen Tendenzen der manticoranischen Politik blieben bestehen. Und eine andere Regierung – eine mit Rückgrat und dem Willen zu einer effizienten Politik – würde sich diese Tendenzen unvermeidlich früher oder später zu Eigen machen. Vielleicht war es deshalb am besten so, wie es nun kam: Haven würde jetzt zuzuschlagen, solange der Vorteil der Republican Navy über die Manticoraner am größten und die manticoranische Regierung am schwächsten war.
Immerhin hatte Thomas Theisman ein hohes Maß an strategischer Fantasie an den Tag gelegt und seine Entschlossenheit gezeigt, den Krieg zum Gegner zu tragen, und das hätte Giancola dem Kriegsminister niemals zugetraut.
Giancola schlug die Augen auf, blickte wieder auf das Chrono und spürte, wie sich die Entscheidung ein für alle Mal fällte.
Es war zu spät, um das aufzuhalten, was nun geschah. Wenn er zugab, welche Rolle er bei den Ereignissen spielte, die Unternehmen Donnerkeil ins Rollen gebracht hatten, war er ruiniert, ohne etwas bewirkt zu haben. Und darum würde er nicht gestehen.
Er wandte sich seinem privaten Computerterminal zu. Ein halbes Dutzend Tastendrücke, mehr war nicht nötig, um die Kopien der echten manticoranischen Noten zu löschen, die er ›für alle Fälle‹ aufbewahrt hatte. Noch drei Tasten, und der Teil des Molycirc-Speicherkerns, in dem die Kommuniques gespeichert gewesen waren, wurde mit einem Programm zur Dokumentenvernichtung neu formatiert, welches garantierte, dass die Daten sich niemals wiederherstellen lassen würden.
Grosclaude, das wusste er, hatte auf Manticore im Vorfeld von Donnerkeil seine Kopien bereits vernichtet, und dazu jede andere Datei sensiblen Inhalts, die nicht in Feindeshand fallen durfte. Dieser Gedanke weckte selbst jetzt eine gewisse ironische Genugtuung in ihm, denn niemand konnte Grosclaude vorwerfen, im Namen der Selbsterhaltung belastendes Material vernichtet zu haben; falls die Diskrepanzen im diplomatischen Verkehr allgemein bekannt würden, konnten nicht einmal die Manticoraner ihm das anlasten. Schließlich hatte er dazu ausdrückliche Anweisung von der Präsidentin erhalten.
So viel dazu , dachte Giancola. Keine Spuren, keine Fingerabdrücke. Keine Beweise.
Hoffentlich schafft es die Navy jetzt wenigstens.
Javier Giscard blickte auf das Chronometer am Schott. Sein knochiges Gesicht war völlig ausdruckslos.
In seinem Arbeitszimmer an Bord der Sovereign of Space war es sehr still, doch das würde sich schon in etwas mehr als drei Stunden ändern. Dann würde der Gefechtsalarm durch den Superdreadnought gellen, und die Erste Flotte würde
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