Honor Harrington 17. Um jeden Preis
dass es eigentlich nicht verwunderlich war. Sie konnte nicht sagen, wovon Hamish träumte, wie es eine Baumkatze bei einer anderen 'Katz gekonnt hätte, aber die Art, wie er sich leicht regte und die Finger der linken Hand spannte, deutete zumindest auf das Thema hin.
Nimitz bliekte Honor leise an, beugte sich vor und stupste sie mit der Nase an. Er richtete sich auf, bildete mit der rechten Echthand den Buchstaben ›C‹ und berührte sich an der rechten Schulter, dann klopfte er mit dem Zeigefinger der rechten Echthand den Rücken seiner Linken.
Honor runzelte die Stirn und zuckte mit den Muskeln ihrer linken Augenhöhle auf die Weise, die das Zeit-und-Datums-Display ihres künstlichen Auges in ihr Blickfeld rückte. Die Ziffern erschienen gehorsam, und sie setzte sich abrupt auf.
»Hmmm? Was'n?«, brummte Hamish benommen, als sie unter seinem Arm hervorschlüpfte und die Füße auf den Fußboden stellte.
»Wach auf!«, rief sie und beugte sich über ihn. Er öffnete die Augen, und sie kniff ihn sanft in die Nasenspitze. »Wir sind spät dran!«, fuhr sie fort.
»Das kann nicht sein«, widersprach Hamish und richtete sich auf. Seine Augen leuchteten auf, als er den Vorgang des Erwachens ganz abgeschlossen hatte, und als Honor seine Gefühle schmeckte, erinnerte sie sich plötzlich, dass sie keinen Faden am Leib trug.
»O doch, das können wir«, erwiderte sie und schlug ihm auf die Hand, als er nach ihr griff. »Und obwohl dir so viele laszive Dinge durch den Kopf gehen, haben wir keine Zeit, deswegen irgendetwas zu unternehmen.«
»Nico hätte uns doch rechtzeitig geweckt«.
»Es sei denn, dass ihm jemand nahegelegt hat, er solle es bleibenlassen«, entgegnete Honor. Er machte plötzlich große Augen und kniff sie zusammen, und Honor nickte. »Mir war der gleiche Gedanke gekommen«, sagte sie.
»Sie wirkte wirklich entschlossen, uns vom Fachsimpeln abzuhalten«, räumte Hamish ein und stieg auf der anderen Seite aus dem Bett. »Aber sie weiß doch, dass wir heute Morgen vor Elizabeth erscheinen sollen.«
»Die zufällig ihre Cousine ist und sie wahrscheinlich nicht enthaupten lässt, falls wir zu spät kommen, weil sie uns nicht rechtzeitig geweckt hat«, sagte Honor. »Schade um die höfliche Fiktion, die unsere Gefolgsleute mit solcher Mühe für uns aufrechterhalten, aber Nimitz sagt, dass Andrew von seinem Pflichtgefühl gleich dazu getrieben wird, an die Tür zu klopfen. Von diesem Moment an wird es relativ schwierig vorzugeben, ich hätte die Nacht in der Blauen Suite verbracht, wo ich eigentlich sein sollte.«
»Diese Verrenkungen sind überhaupt nicht notwendig, das weißt du«, erwiderte Hamish sachlich und beobachtete, wie sie den Kimono überzog, der irgendwie auf dem Fußboden gelandet war. »Wie du gerade selbst festgestellt hast, wissen die Leute alle, was wirklich vorgeht.«
»Vielleicht. Nein, mit Sicherheit. Aber Andrew wird an dem Tag, an dem er uns beiden gegenüber zugeben muss, dass er die ganze Zeit gewusst hat, was sich abspielt, in sehr großer Verlegenheit sein.«
»Und was ist mit dir?«, fragte Hamish sanfter, und sie zuckte die Schultern, während sie die Schärpe umlegte.
»Das weiß ich wirklich nicht«, gab sie zu und lächelte. »Von ein paar rudimentären Gewissensbissen abgesehen gefällt es mir sehr gut, wie die Dinge sich entwickeln, bislang jedenfalls. Und da ich bereits weiß, dass er weiß, dass ich weiß, dass er Bescheid weiß … naja, du weißt schon, was ich meine. Wenn man das berücksichtigt, dürfte es wohl doch nicht so furchtbar peinlich werden, wenn es schließlich so weit ist. Aber ich bin mir nicht ganz sicher.« Sie lächelte ironisch. »Wie ich Emily schon sagte, steckt eine Menge Sphinx und Grayson in mir, und dass mein Liebesleben dem einer Nonne bemerkenswert ähnlich gewesen ist, seit Paul ermordet wurde, hat daran nicht gerade etwas geändert.«
»Das verstehe ich gut«, sagte er, und sie lächelte wieder; sie freute sich, dass sich bei beiden von ihnen kein Unbehagen regte, wenn Paul Tankersleys Name fiel. »Trotzdem«, fuhr er fort, »du bist dir doch darüber im Klaren, dass es früher oder später herauskommen muss ?«
»Im Augenblick«, sagte Honor, während sie Nimitz in die Arme nahm und ihn festhielt, da ihrem Kimono die eigens gepolsterten Schultern ihrer Uniformjacken und graysonitischen Zivilkleider fehlten, »würde ich vorziehen, wenn es erst später herauskäme. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wie Grayson reagiert, wenn
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