Hoppe
ihre Kinder nach vorne hin tragen‹) oder ›Growintheapron‹ (›Kinder, die in der Schürze aufwachsen‹), während es hier einfach nur das KANGAROO heißt«.
Jenes Tier, fuhr Quentin fort, »das selbst Kapitän Cook in Erstaunen versetzte, als er das herrliche Südland betrat, weshalb er (so die Legende) gefragt haben soll, wie dieses seltsame Tier denn heiße, worauf die Befragten (ihm ebenso unbekannt wie das Tier) vermutlich bloß mit den Schultern zuckten und (Fortsetzung der Legende) ›Kangoroo‹ sagten, was so viel heißen soll wie ›Verstehen wir nicht‹. Dabei sind natürlich wir es gewesen, die überhaupt nichts verstanden, weshalb wir bis heute nicht wissen, wie das Tier wirklich heißt. Wir wissen nämlich«, schloss Quentin, »so gut wie gar nichts. Nichts über die Tiere und noch weniger über die Menschen. Wir wissen nicht einmal, wie Klemzig vor Klemzig hieß, bevor die schlesischen Schiffe kamen. Und am wenigsten wissen wir von jenen Kindern, die man später heimlich entführt hat, weil sie nicht aussahen, wie sie aussehen sollten. (Hier spielt Quentin vermutlich auf die Geschichte der ›stolen generations‹ aus den 1930 er Jahren an./fh) Aber das ist eine andere Geschichte, die erzähle ich euch am nächsten Sonntag.«
In seinen Memoiren (
Growing up in Adelaide/Älterwerden in Adelaide
, unveröffentlichtes Manuskript, Übersetzung ins Deutsche fh) bekennt Quentin allerdings zwanzig Jahre später, nie wieder ein Kind getroffen zu haben, das weniger Sinn für Naturschönheit im Allgemeinen und für Flora und Fauna im Besonderen besaß: »Während Joey nichts sah, dafür alles fühlte und roch und, wohin man auch kam, förmlich in Jubel ausbrach, blieb Felicitas, die doch alles sah und hörte und roch, auf bestürzende Weise unberührt, wie unter Glas, auch wenn sie sich alle Mühe gab, das zu verbergen, weil sie gut erzogen und höflich war. Nur dass sie, was ich erst später begriff, kein Kind war, sondern eine Eiskönigin, die man, schwer atmend, durch tausend Schönheiten schiebt, ohne jemals Begeisterung zu ernten.
Wo Joey seine Hand ausstreckt, weil er buchstäblich alles anfassen will, betritt Felicitas die Natur als Theater und starrt mit gerunzelter Stirn auf die Bühne (wir erinnern uns an Felicitas’ unfreiwilliges Spielverderbertum/fh), auf der Suche nach dem Geheimnis einer Schönheit, die sie erkennen, aber nicht fühlen kann. Während Joey und ich in der Erde graben, auf der Suche nach Schätzen, um alles, was wir finden, ins Licht zu halten, sitzt Felicitas Bein auf Bein auf Stein und verfolgt unser Tun mit einer seltsamen Mischung aus Nachsicht, Gleichmut und Sehnsucht, als sei sie zum ewigen Zuschauen verurteilt und dazu, darüber Buch zu führen.«
So konnte selbstverständlich nur schreiben, wem vollkommen klar war, dass Felicitas gar nicht Buch führen wollte, sondern dass sie »schlicht und ergreifend allein war mit ihrem seltsam verstockten Ehrgeiz«, den Joey weder teilen konnte noch jemals begriff und den Quentin nicht deshalb erkannte, weil er Arzt oder Klavierlehrer war, sondern weil er Felicitas liebte: »Sie ist«, schreibt er in
Growing up in Adelaide
, »der erstaunlichste Fund meines Lebens, eine Entdeckung mit Folgen, ein Planet, den ich nur aus der Ferne bestaune, weil ich ihn niemals betreten kann.« Das ist so diskret wie deutlich. Quentin Blyton, ein so beliebter wie erfolgreicher Arzt, liebender Vater und in jeder Hinsicht treuer Ehemann, war ein charismatischer Katholik, der sich gewissenhaft Rechenschaft über sein Tun und seine Gefühle ablegte und den sonntäglichen Klavierstunden mit Felicitas wahrscheinlich nicht nur deshalb ein Ende machte, »weil sie einfach zu gut für mich ist«, sondern weil er sie als Verrat an seiner Frau und an seinem Sohn empfand, »als einen Raum des Glücks, das mir nicht zusteht«.
Nur wenige Seiten später ergänzt er: »Was ihr (Felicitas/fh) fehlt, ist, was wir Engländer unser Hobby nennen, jene liebenswerte Beschäftigung, die uns seit Jahrhunderten das Überleben ermöglicht und der nur nachgehen kann, wer den kleinen feinen Unterschied kennt und weiß, wie man das Eigentliche (im Original: ›the ultimate cause‹) vom Wirklichen trennt, die Wahrheit vom Vergnügen, den Sinn des Lebens vom Zeitvertreib und die Erfüllung vom Wunsch. Aber das alles fällt bei ihr (Felicitas) auf so unerbittliche Weise in eins, dass es niemals Entspannung gibt, sie vergisst einfach nichts. Und das nicht etwa, weil sie
Weitere Kostenlose Bücher