Hornblower 06 - An Spaniens Küsten
kletterte in das geräumige Bett, wo er sich bis zur äußersten Kante schob und starr liegenblieb, bis Maria die Kerze ausgeblasen und sich neben ihn gelegt hatte. Erst als ihr Atem ruhig und gleichmäßig geworden war, wagte er sich zu entspannen. Er änderte seine Lage und ließ seinen wirbelnden Gedanken die Zügel schießen.
Ihm fiel ein, was Bolton mit vielsagendem Augenzwinkern gesagt hatte, als sie sich im Laufe des Abends in einer Ecke zusammengefunden hatten, in der sie nicht belauscht werden konnten.
»Für die Regierung verkörpert er sechs Stimmen«, meinte der Kommandant der Caligula , wobei er zum Admiral hinüberdeutete.
Bolton war ein tüchtiger Seemann, sonst aber ziemlich beschränkt. Er hatte jedoch gelegentlich eines Besuches in London an einem Lever teilgenommen und allerlei Klatsch in Erfahrung gebracht. Der arme alte König begann abermals in Wahnsinn zu verfallen. Es war klar, daß die Bestellung einer Regentschaft dringend erforderlich wurde. Das aber konnte den Rücktritt der Konservativen und das Kommen der Liberalen bedeuten. Die sechs Stimmen Leightons waren für die Regierung sehr wichtig. Angesichts des Umstandes, daß der Marquis Wellesley das Amt des Außenministers und sein Bruder Henry jenes des britischen Gesandten in Spanien versah, während Sir Arthur Wellesley - wie war doch gleich sein neuer Titel?... Richtig, Lord Wellington - den Oberbefehl auf der Pyrenäenhalbinsel führte, konnte es kaum überraschen, daß Lady Barbara Wellesley den Admiral Sir Percy Leighton heiratete, und noch weniger, daß diesem ein Kommando im Mittelmeer übertragen wurde. Die Aufsässigkeit der Opposition wuchs von Tag zu Tag, und das Schicksal der Welt hing in der Schwebe.
Unruhig drehte sich Hornblower auf die andere Seite, aber eine dadurch hervorgerufene Bewegung Marias ließ ihn sofort wieder erstarren. Nur noch eine kleine Gruppe von Männern, innerhalb deren die Wellesley die Führung hatten, hielt an dem Entschluß fest, gegen die Vorherrschaft des Korsen zu kämpfen.
Der geringste Rückschlag, mochte er sich zu Lande, zu Wasser oder gar im Parlament ereignen, konnte sie aus ihren hohen Stellungen stürzen, ihre Köpfe in bedrohliche Nähe des Henkerblocks bringen und ganz Europa ins Verderben führen.
Einmal im Verlauf des Abends hatte Hornblower allein neben der Dame des Hauses gestanden und darauf gewartet, daß sie seine Teetasse füllte. »Ich habe mich sehr gefreut, als mir mein Mann mitteilte, daß Sie das Kommando der Sutherland erhielten«, hatte sie gemurmelt »Gegenwärtig bedarf England aller seiner besten Führer.«
Offenbar hatten die Worte mehr bedeutet, als sie ausdrückten.
Wahrscheinlich wollte Lady Barbara auf die Notwendigkeit hinweisen, Leighton im Kommando zu erhalten. Andererseits konnte er aus ihrer Bemerkung nicht schließen, daß sie sich für ihn - Hornblower - verwendet hatte. Immerhin bot ihm die Vorstellung, daß sie Sir Percy nicht aus Liebe geheiratet hatte, eine gewisse Genugtuung. Der Gedanke, Lady Barbara in einen anderen verliebt zu sehen, war ihm verhaßt. Angestrengt suchte er sich jedes an den Gatten gerichteten Wortes, jedes ihm zugeworfenen Blickes zu erinnern. Nein, wie eine junge, den Auserwählten vergötternde Braut sah sie ganz gewiß nicht aus.
Trotz allem aber blieb die Tatsache, daß sie Leightons Gattin war und in dieser Minute mit ihm im Bett lag. Abermals empfand Hornblower seelische Qualen.
Dann riß er sich zusammen. Sehr vernunftgemäß sagte er sich, daß das Spiel mit derlei Gedanken nur dazu angetan war, ihn dem Wahnsinn nahezubringen. Entschlossen gab er seinen Erwägungen eine völlig andere Richtung und beschäftigte sich mit der Verproviantierung seines Schiffes. Einige Schweine wollte er ankaufen, zwei Dutzend Hühner und auch ein paar Schafe. Ferner war für einen Weinvorrat zu sorgen. Einen Teil konnte er später vorteilhafter im Mittelmeer kaufen, doch würde es sich empfehlen, fünf bis sechs Dutzend Flaschen mitzunehmen. Es konnte auf die Offiziere und Mannschaften einen schlechten Eindruck machen, wenn er nicht mit allem versehen war, was einem Kapitän z. S. zukam. Dauerte die Ausreise lange, so mußte er gelegentlich nicht nur die anderen Kommandanten, sondern auch den Admiral zu sich bitten. Sie alle würden die Nase rümpfen, wenn er ihnen die Schiffskost vorsetzte, die ihm selbst für gewöhnlich genügte. Die in Gedanken aufgestellte Liste wurde immer länger. Portwein, Sherry und Madeira... Äpfel und
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