Hornblower 06 - An Spaniens Küsten
er ruhig. »Sie werden sie uns vom Leib halten, Laird, bis wir den Troß wieder eingeschifft haben.«
Laird nickte. Er war ein großer, zur körperlichen Fülle neigender, rothaariger Schotte. Den Hut hatte er etwas in den Nacken geschoben, um sich die Stirn mit einem violetten Seidentaschentuch zu trocknen, dessen Farbe sich im grellen Sonnenlicht abscheulich mit dem scharlachroten Waffenrock schlug.
»Aye«, sagte er. »Das werden wir machen.«
Noch einen Blick ließ Hornblower über die Doppelglieder der Seesoldaten gleiten, deren ihm so vertraute braune Gesichter unter den Tschakos hervorsahen. Die disziplinierte Haltung der Marineinfanterie erhöhte seine Zuversicht. Er bohrte dem struppigen Gaul die Absätze in die Flanken und trabte weiter.
Bald begegnete ihm der vom Strande zurückkehrende Longley.
»Reiten Sie sofort zurück, Seekadett Longley. Melden Sie dem Geschwaderchef, daß die Wiedereinschiffung des Landungskorps unbedingt erforderlich geworden ist. Ich lasse bitten, sämtliche Boote zur Aufnahme bereitzuhalten.«
Teile der Freischaren eilten bereits in aufgelöster Ordnung auf schmalem Pfade dem Festland zu. Ein Offizier sammelte die Nachzügler. Begriffsstutzig sah ein englischer Maat zu, wie ein paar Gespannpferde abgeschirrt wurden, um weggeführt zu werden.
»Halt!« brüllte Hornblower, der in seiner Erregung nur mit Mühe die passenden spanischen Worte fand. »Die Pferde bleiben hier. Shelton und Drake, holen Sie sie zurück. Brown, Sie reiten weiter und sagen jedem Offizier, daß die Spanier abrücken können, daß sie aber keinen einzigen Gaul und kein Maultier mitnehmen dürfen.«
Einige Spanier machten finstere Gesichter. In einem Lande, in dem im Verlauf der letzten beiden Jahre jeder Winkel durchsucht worden war, verkörperten Zug- und Tragtiere unschätzbare Werte. Der letzte zum Kampf aufgebotene Bauer wußte es, wie er sich auch sagte, daß der Verlust der Tiere sich beim nächsten Unternehmen für ihn in einem leeren Magen äußern würde. Andrerseits war mit den britischen Seeleuten nicht zu spaßen. Sie hantierten in einer Weise mit ihren Pistolen und Entermessern, die keinen Zweifel über die Absicht bestehen ließ, sie nötigenfalls rücksichtslos zu gebrauchen. Obendrein entsannen sich die Freischärler jener französischen Kolonnen, die ihnen den Rückzug abzuschneiden suchten. Überall am Weg entlang verließen sie daher die Gespanne und zogen mißgestimmt ab. Hornblower aber trieb seinen müden Gaul weiter, um die Geschütze und den Troß, die mit so viel Mühe bis hierher gebracht worden waren, umkehren zu lassen. Er erreichte das obere Ende der steilen Schlucht und ritt zum Strande hinunter. An diesem windstillen Nachmittag lag das blaue Meer glatt wie ein Spiegel vor ihm. Weit draußen ankerten die Schiffe des Geschwaders, und im Vordergrund erstreckte sich der helle Ufersand, während die Boote wie riesenhafte Wasserkäfer über die blauschimmernde See krochen. Rings umher zirpten Grillen. Die am Strande zurückgebliebenen Mannschaften waren bereits fieberhaft tätig, die aufgestapelten Fleischfässer und Brotsäcke in die Boote zu verstauen. Die hier zu erledigenden Arbeiten konnte Hornblower getrost dem tüchtigen Cavendish überlassen. Er selbst kehrte wieder zum Oberland zurück. Droben am Ausgang der Schlucht stieß er auf einen Teil der Tragetierkolonne. Er hinterließ den Befehl, die Maultiere sofort nach dem Abladen zu den Geschützen zu bringen, und setzte seinen Weg fort. Das nächste Geschütz befand sich noch fast einen Kilometer von der Schlucht entfernt.
Menschen und Pferde mußten sich gehörig anstrengen, es zu der nach Land zu ziemlich steil abfallenden Oberkante der Klippen hinaufzuschleppen. Die Leute begrüßten ihren Kommandanten mit lautem Zuruf. Hornblower winkte mit der Hand und bemühte sich, den Eindruck zu erwecken, als sei er ein vorzüglicher Reiter. Es bot ihm einen gewissen Trost, daß der ihm folgende Brown noch weniger gut im Sattel saß. Der Gegensatz konnte ihm vielleicht zugute kommen.
Plötzlich tönte aus der Ferne Gewehrfeuer herüber.
Unnatürlich klang es in der erhitzten Luft. Lairds Nachhut war in ein Gefecht verwickelt worden.
Gemeinsam mit Brown und Longley ritt Hornblower in beschleunigter Gangart an den anderen sich abmühenden Gespannen entlang auf den Gefechtslärm zu. An einer Stelle lag neben dem Weg eine lange Reihe von Kanonenkugeln, die von den Spaniern einfach hingeworfen worden waren, ehe sie die Flucht
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