Hornblower 08 - Der Kommodore
Sie ihn doch.«
»Und das Exempel für die Leute, Sir -?«
»Nein, nein und nochmals nein!« brauste Hornblower auf.
»Das wäre mir ein schönes Exempel, einen sterbenden Menschen zu hängen, einen Menschen, der womöglich nicht einmal weiß, was mit ihm geschieht.« Das beherrschte Mienenspiel in Bushs Gesicht nahm sich geradezu erschreckend aus. Dabei war Bush ein gütiger Mensch, er war seinen Schwestern ein guter Bruder und seiner Mutter ein liebevoller Sohn. Woher kam also dieser grausame Zug bei ihm, diese Begierde, einen wehrlosen Menschen hängen zu sehen? Nein, man tat ihm unrecht, wenn man die Frage so stellte. Bush dürstete es in Wirklichkeit nur nach Rache - Rache an einem Verräter, der sich nicht gescheut hatte, sein eigenes Vaterland mit der Waffe in der Hand zu bekämpfen.
»Es würde den Leuten das Desertieren verleiden, Sir«, sagte Bush, der noch immer, allerdings ohne rechten Nachdruck, seinen Standpunkt verfocht. Hornblower wußte aus zwanzigjähriger Erfahrung genau, was jeder englische Kommandant unter dieser Seuche des Desertierens zu leiden hatte. Die eine Hälfte der Zeit zerbrach er sich den Kopf darüber, wie er seine Leute an Bord bekam, die andere Hälfte, wie er sie an Bord festhielt. »Vielleicht«, meinte Hornblower, »aber ich möchte es doch sehr bezweifeln.« Er konnte sich zwar nicht den Nutzen, sehr wohl aber den Schaden ausmalen, der entstand, wenn die Mannschaft gezwungen wurde, zuzusehen, wie man einen hilflosen Mann, der nicht einmal stehen konnte, eine Schlinge um den Hals legte und ihn dann zur Rahnock aufheißen ließ.
Bush wollte immer noch Blut sehen. Zwar wußte er nichts mehr vorzubringen, dafür sprachen aber seine Augen um so deutlicher, und auf seinen Lippen zitterte ein unausgesprochener Protest.
»Ich danke für alle weiteren Erörterungen in dieser Angelegenheit, Kapitän Bush«, sagte Hornblower. »Mein Entschluß ist gefaßt.«
Bush hatte eben kein Verständnis dafür, daß stumpfsinnige Rache, sinnlose Wiedervergeltung immer dumm waren und nie etwas Gutes zu zeugen vermochten. Vielleicht sah er es später einmal ein, das war aber sehr fraglich.
8. Kapitel
Wahrscheinlich betätigte sich die Blanchefleur immer noch in den Rügenschen Gewässern. Arkona war für ihre Zwecke der ergiebigste Jagdgrund. Dieses Kap wurde von allen Schiffen angesteuert, die aus russischen und finnischen Häfen kamen und weiter nach Westen wollten. Hier, wo ihnen zwischen der Insel und der Untiefe des Adlergrundes mit ihren zwei Faden Wasser die Bewegungsfreiheit fehlte, waren sie am leichtesten abzufangen. Sicher wußte der französische Kommandant noch nichts von der Ankunft eines britischen Kriegsschiffsverbandes in der Ostsee, noch weniger konnte er ahnen, daß er durch die rasche Befreiung der gekaperten Maggie Jones dem Gegner bereits verraten war.
»Ich nehme an, daß Sie sich über alles im klaren sind, meine Herren«, schloß Hornblower seine Erklärungen. Dabei blickte er sich im Kreise seiner Kommandanten um, die in der Kajüte seines Flaggschiffes versammelt waren. Ringsum erhob sich zustimmendes Gemurmel. Vickery von der Lotus und Cole von der Raven trugen eine grimmig entschlossene Miene zur Schau.
Jeder von beiden hoffte, daß sein Schiff die Blanchefleur zu fassen bekam - ein erfolgreiches Einzelgefecht gegen ein solches annähernd gleichstarkes Fahrzeug war immer die beste Gelegenheit, um eine rasche Beförderung zum Kapitän zur See zu erreichen. Vickery war ein junger Draufgänger - damals als sie die Sevres so schneidig herausholten, hatte er die Boote befehligt. Cole war ein gebeugter, grauhaariger Mann. Mound von der Harvey und Duncan von der Math waren beides blutjunge Leutnants. Freeman, der Kommandant des Kutters Clam wirkte in diesem Kreis fremd. Mit seinem dunklen Teint und seinen langen schwarzen Haaren sah er aus wie ein Zigeuner und wäre mit dieser Erscheinung als Schmugglerkapitän weniger aufgefallen denn als Kommandant eines Kriegsschiffes Seiner Majestät. Die nächste Frage kam von Duncan:
»Ich bitte um Auskunft, Sir, ob Schwedisch-Pommern neutral ist.«
»In Whitehall wäre man froh, wenn man Ihnen auf diese Frage eine klare Antwort geben könnte, Mr. Duncan«, gab ihm Hornblower vergnügt grinsend zur Antwort. Er hatte es sich zur Regel gemacht, immer eine strenge und distanzierte Haltung zu zeigen, aber diesen netten Kerlen gegenüber fiel es ihm doch verdammt schwer, seinem Grundsatz treu zu bleiben. Nun grinsten sie alle
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