Hornjäger (German Edition)
aus ihnen die stolze Armee der Rosenkönigin gemacht. Sie hatte noch drei Reiter, einen Baron, vier Belagerungswaffentechniker und sieben Lanzenstecher. Gefelerius‘ Armee war schon deutlich geschrumpft, dafür war sein Bulle unbedroht und er besaß noch zwei Pferde, die zwar keine Reiter mehr hatten, aber trotzdem noch kräftig austreten konnten.
Da man dieses Spiel bei Hofe stets auf abenteuerlichen Landkarten und mit kunstvoll geschnitzten Holzfiguren spielte, die die Größe von Euphenas Hand hatten, war es zuerst eine gewisse Herausforderung gewesen, die kurzen Strohstückchen auseinanderzuhalten und einen Ritter von einem Bauern zu unterscheiden. Aber nach der sechsten Runde konnte sie ihre Strohkrieger langsam auseinanderhalten. Natürlich spielte ihre Schlacht in einer Steinwüste, eine Landkarte mit Bergen, Tälern und Flüssen hatten sie ja nicht, aber für Gefelerius war es durchaus spannend genug, sich zuerst einmal in das Regelwerk einzufinden.
»Vergehe, Fürst des Waldes!«, schmetterte Euphena los und schnappte sich den Strohalm-Lanzenstecher, der mittlerweile ein wenig zerrupft aussah.
Gefelerius lachte und schob seinen Baron vor, der dadurch gefährlich nahe an Euphenas Reiterei kam. Er wurde immer besser in dem Spiel. Nicht mehr lange und Gefl würde sie besiegen können.
»Warum eigentlich Rosenkönigin und Fürst des Waldes?«
»Ganz genau weiß das keiner mehr.« Euphena sortierte ihre gefallenen Krieger der Größe nach.
»Es geht die Mär, dass einst eine Königin in Liebe zu einem Fürsten entbrannte, der davon leider gar nicht entzückt war und sich daraufhin in ein unwegsames Waldgebiet zurückzog. Als die Rosenkönigin das hörte, versammelte sie ihre Armee, um den Fürsten für den Frevel, sie zu verschmähen, zu bestrafen. Der Fürst jedoch hatte sich als guter und gerechter Anführer erwiesen und so unterstützten ihn Adelige, Menschen und sogar Tiere. Keiner weiß, wo die Schlacht stattfand und keiner weiß, zu wessen Gunsten sie damals entschieden wurde.« Euphena tippte sich gegen die Unterlippe und schob dann einen Bauern vor Gefelerius‘ Bullen. »Vermutlich stellt man die Schlacht deshalb im Spiel wieder und wieder nach, aber ein eindeutiger Sieg für eine der beiden Parteien, kann nie errungen werden ... dazu sind die Kräfte zu ausgeglichen.«
»Das heißt, die Rosenkönigin ist die Böse?« Gefl sah sie fragend an.
»Wer ist schon böse? Menschen handeln meist getrieben durch Gefühle, durch verletzten Stolz zum Beispiel ... wie bei der Rosenkönigin. Sie konnte nicht verzeihen und das war ihr Fluch. Jetzt kämpft sie schon seit Hunderten von Generationen und findet niemals ihren Frieden.« Euphena musste lächeln. Sie mochte die Geschichte irgendwie.
»Warum wolltest du dann die Königin spielen? Kannst du auch jemandem nicht verzeihen?« Gefelerius setzte seinen nächsten Zug. Der Bulle bewegte sich auf den Bauern zu. Er suchte die Konfrontation.
»Nein. Ich spiele die Königin, weil Damen aus Tradition immer die Königin spielen, wenn zwei Frauen an einem Spieltisch sitzen, gebietet es die Höflichkeit, der Dame, die gerade unglücklicher in ihrer Liebe ist die Königin zu überlassen.«
Euphena rückte ihren Bauern ein Stück nach vorne. Sie nahm die Herausforderung an. »Dummerweise ist es die unangefochtene Lieblingsbeschäftigung adeliger Damen unglücklich verliebt zu sein, was dann wiederum den Streit um die Rosenkönigin vorprogrammiert.«
»Klingt nach einer harten Welt, in der du da lebst.« Gefelerius machte plötzlich einen taktischen Schwenk und holte seinerseits einen Bauern auf den Plan.
»Oh, nein. Solche Streitereien kommen nur noch selten vor, seit irgendein Tropf lauthals hat verkünden lassen, dass dieses Spiel für Damen unschicklich sei. Seitdem rührt es kaum noch eine an.« Wenn Euphena es sich so recht überlegte, steckte wahrscheinlich sogar Fengus selbst dahinter. Als sie noch jünger gewesen war, hatte er sich bei Winterabendgesellschaften stets äußerst entnervt abgewandt, wenn zwei Damen sich mit den Figuren beworfen und dabei kreischend quer durch den einzig beheizten Raum gelaufen waren und ihn in seiner Abendlektüre gestört hatten.
»Du spielst sie die Rosenkönigin nur aus Tradition und bist also mit der gesamten Welt im Reinen?« Gefl’s Augen verengten sich zu prüfenden Schlitzen.
»Ja, ich denke schon.« Sie hatte nie darüber nachgedacht, ob sie Fengus jetzt hasste oder nicht. Klar, er hatte gelinde gesagt ihr Leben
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