Hornjäger (German Edition)
bereits tief. Wenn sie es noch vor dem Schließen der Stadttore hinausschaffen wollten, mussten sie sich beeilen. Zwei gestohlene Pferde konnte man nicht leicht verstecken, wenn nach ihnen gesucht wurde. Helwyr hatte im Stall bereits alles vorbereitet, die Tiere waren so weit und der Stallbursche hatte es sich mit einer Flasche Wein auf dem Heuboden gemütlich gemacht.
Jetzt fehlte nur noch Elvira.
Helwyr wartete. Die Luft kühlte merklich ab, als es endgültig dämmerte. Von Elvira war immer noch keine Spur zu sehen. Vielleicht ahnte ihr Vater etwas und ließ sie erst aus den Augen, wenn er sich sicher sein konnte, dass die Stadttore geschlossen waren. Helwyr stellte sich auf die Bank und pflückte sich eine Birne. Es war bereits die dritte. Wenn Elvira nicht bald auftauchte, hatte er den Baum leergegessen, noch bevor sich der Stallbursche endgültig betrunken hatte. Und der war am besten Weg dazu, inzwischen kannte Helwyr alle Lieder, die er singen konnte, und wusste auch, in wen er unglücklich verliebt war. Alles in allem hatte der Knecht eine schöne Stimme. So viel musste er ihm lassen.
Als Elvira endlich die verabredete Kerze in ihr Fenster stellte, war es bereits Nacht und der Stallbursche längst eingeschlafen.
Schnell huschte Helwyr zu ihr hinüber und steckte den Kopf durchs Fenster. »Kann es losgehen?«
Elvira hüpfte aufgeregt. »Ja, ich brauche nur noch schnell etwas anderes zum Anziehen.« Sie wies auf ihr Rüschenkleid. »Bitte verzeiht, Papa, hat uns heute erst sehr spät vom Tisch entlassen.«
»Schon in Ordnung, Kleines. Wir werden eben ein wenig improvisieren müssen«, flüsterte er. »Pack alles zusammen, ich hole die Pferde.«
Rasch schlich sich Helwyr über den Hof zu den Stallungen. Hestus presste sofort seine weiche Nase an das Gitter, sobald er ihn erblickte.
»Jetzt geht es ab in die Freiheit!« So leise er konnte, öffnete er die Abteile, um den Stallburschen nicht zu wecken und führte die Pferde zur offenen Tür. Helwyr lugte nach draußen, um zu sehen, ob die Luft rein war, und hielt Antha zurück, die freudig in den Garten preschen wollte. Gerade rechtzeitig, denn im selben Moment öffnete sich neben Elviras Fenster die Tür zum Garten. Mit schweren Schritten stiefelte ihr Vater zum offenen Tor, zog mit einem leisen Ächzen die Türflügel zu und drehte den Schlüssel zweimal im Schloss. Helwyr fluchte. Ihr Fluchtweg war versperrt!
Auf dem Rückweg blieb der Mann an Elviras Fenster stehen. »Geh zu Bett, es ist spät!«, rief er hinein.
»Ja Vater«, hörte Helwyr Elviras dünnes Stimmchen.
Mit fahrigen Händen fuhr er sich über die Glatze. »Gute Nacht, mein Kind.« Das klang schon liebevoller. Kurz darauf verschwand er wieder im Haus.
Helwyr ließ Hestus und Antha im Stall stehen und huschte zu Elviras Fenster.
»Wir müssen die Aktion abblasen. Dein Vater hat soeben das Tor versperrt!«, zischte er in die Dunkelheit.
Elvira hatte Hosen und Hemd angelegt und ihre Haare unter einer braunen Mütze verstaut. Sie blickte ungläubig drein. »Vater versperrt das Tor nie!«
»Tja, heute hat er es getan. Das bedeutet, wir haben ein Problem! Zu zweit könnten wir es vielleicht über die Mauer schaffen. Ich weiß ja nicht, wie es dir geht, aber ich bin zu schwach um zwei Pferde drüberzuheben.«
»Dann lassen wir sie hier!« Elviras Stimme hatte etwas Flehendes.
»Nein, ich gehe nicht ohne meine Pferde!« In diesem Punkt würde Helwyr gewiss nicht nachgeben!
Sie löschte ihre Kerze, legte einen Abschiedsbrief auf ihren Frisiertisch und reichte Helwyr ihr Bündel aus dem Fenster. Helwyr ächzte. Er hatte das Gewicht ihrer Habseligkeiten unterschätzt.
»Was bitte habt ihr da drinnen?«
»Nur ein bisschen Kleidung, zwei Stück Kuchen und meine Lieblingsschlösser.« Helwyr schnaubte. Das erklärte einiges!
»Könnt Ihr das Schloss des Tores nicht einfach knacken?« Helwyr half ihr aus dem Fenster.
»Wie denn? Meinen Dietrich habt Ihr mitgenommen, schon vergessen?« Da war wieder der schnippische Ton.
»Habt Ihr denn keine anderen?« Im ersten Stock wurde das Licht gelöscht. Jetzt lag der Hof in vollkommener Dunkelheit da.
»Ja schon, aber nur für Truhenschlösser!«, zischte Elvira. Helwyr warf fluchend ihr Bündel ins Gras. Es schepperte leise. Neugierig kam Hestus auf den Hof, dicht gefolgt von Antha, die sich sofort mit Hingabe den Blumen widmete.
Elvira hockte sich auf die Bank und zog die Beine an. Gedankenverloren spielte sie mit dem Schlüssel um ihren
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