Hornjäger (German Edition)
unter ihr war, wieherte sie verärgert. Helwyr machte sich so klein er konnte, und wartete, bis sie sich beruhigt hatte. Leise summend arbeitete er sich weiter vor, als er unter Hestus angekommen war, entspannte er sich merklich. Ihn hätte er sogar am Bauch kitzeln können, und es hätte ihn nicht gestört.
Helwyr stand auf und drückt gegen die Tür. Sie rührte sich nicht. Dann eben mit Gewalt! Er trat so lange gegen das Holz, bis die Tür aufsprang. Erleichtert atmete er die kühle Nachtluft ein. Die Pferde drängten ins Freie. Helwyr holte Elviras Habe und sah sich um. Sie waren in einer Art Bootshaus gelandet. Der Mond schickte silberne Streifen durch den Bretterverschlag und wies ihnen den Weg zum Ausgang. Sie führten die Pferde über die Mole an der Stadtmauer entlang zum nächsten Tor, wenn sie Glück hatten, ließen sich die Soldaten bestechen, oder waren ungeübt genug, sich von Helwyr überwältigen zu lassen.
Überraschter war er deshalb, als er am Tor überhaupt keine Wache vorfand. Nur der schmale Junge, der versucht hatte, ihn auf dem Marktplatz zu bestehlen saß am Fuße der Mauer und ließ die Füße baumeln.
»Was machst du denn hier?«, fragte Helwyr erstaunt.
Der Junge zuckte mit den Achseln. »Sybira meinte, ich soll die Wachen von hier weglocken, weil ihr gleich hier ankommen würdet. Ich soll euch außerdem mit den Pferden helfen. Für drei Kupferlinge bringe ich sie aus der Stadt.« Der Junge entblößte seine Zahnlücke.
Das war gar nicht so schlecht! Rasch zählte Helwyr ihm das Geld in die Hand. »Bringe sie zu den Müllersleuten am Waldrand, sie heißen Nagda und Jyrsin, sag ihnen Helwyr schickt dich!« Er drückte ihm ein zusätzliches Geldstück in die kleine Hand.
»Danke!« Der Bub strahlte.
Helwyr winkte ab. »Hilf mir lieber das Tor zu öffnen!« Er hob den Balken aus der Verankerung und zog gemeinsam mit ihm einen Torflügel auf. »Und jetzt ab mit dir!«
Der Junge nahm die Stricke und folgte mit den Pferden der Straße.
»Soll ich auch da raus?«, fragte Elvira plötzlich verunsichert.
»Nein!« Helwyr stemmte sich gegen das Tor und verschloss es mit dem Balken. Schnell zog er sie in eine Seitengasse. Die Wache kehrte zurück.
»Du kommst mit mir, ich lasse dich nachts nicht alleine da draußen herumspazieren, ohne eine Ahnung, wo du hin musst!«
Elvira sah ihn mit ihren blassen Augen groß an.
»Komm! Wir besuchen eine Freundin!«
Wie zwei Schatten schlichen sie durch die Straßen. Nur im Bündel auf Helwyrs Rücken klackerte es bisweilen leise.
E uphena hockte auf der Pritsche unter dem Fenster, durch das der Mond drei silberne Streifen auf den Boden der Zelle warf. Sie blies ihre Haare aus dem Gesicht, wartete, bis sie wieder heruntergefallen waren, und ließ sie dann erneut fliegen.
»Wieso warten wir überhaupt?«, fragte sie schließlich zu Gefelerius gewandt, der im Handstand kopfüber vor dem Mäuseloch lauerte.
»Weil wir wollen, dass es dunkel genug ist. Einen Ausbruchsversuch bei Tag kann ich aus meiner Erfahrung heraus nicht empfehlen.« Er balancierte sein Gewicht aus und hob eine Hand.
»Es ist schon seit geschätzten drei Stunden dunkel! Wie lange möchtest du noch hier sitzen?«
»Bis der Gefängniswärter müde und alle anderen zu Bett gegangen sind. Aber ich schätze, du hast recht!« Er rollte sich ab und stand auf. »Auf geht‘s!«
Bei diesen Worten beschleunigte sich Euphenas Herzschlag. Sie hatte sich den ganzen Abend über ausgemalt, wie es wohl sein würde, war in Gedanken die Korridore noch einmal durchwandert - und hatte sich zu ihrem Verdruss nicht mehr wirklich erinnern können, wie sie wo abgezweigt waren. Aber egal, sie würden instinktiv entscheiden!
Feierlich überreichte Euphena ihrem Zellengenossen den Dietrich.
Gefelerius schob ihn ins Schloss, tastete kurz, dann rüttelte er leicht und drehte an ihrem Weg zur Freiheit.
Mit einem leisen Knarzen schwang die Tür auf. Euphena staunte.
»Kannst du mir das beibringen? Das war beeindruckend!«
»Schätzchen, ich habe Jahre für eines dieser Schlösser gebraucht und das sind nur die simplen. Zugegeben hatte ich selten Übungsobjekte zur Hand ... aber ist ja auch egal!« Er umfasste den Dietrich fest mit einer Hand und stecke dann den Kopf um die Ecke.
»Nicht, dass du ihn wieder irgendwo fallen lässt!« Er grinste schelmisch.
Euphena rempelte ihn mit der Schulter an und stapfte an ihm vorbei. Je eher sie hier rauskamen, desto besser!
Leise schlichen sie die Treppe hoch.
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