Hornjäger (German Edition)
Speerstoß um Haaresbreite. Sie kam auf die Füße und nutzte seine Verwirrung aus. Euphena rannte erneut von vorne an, stieß diesmal aber ihren Speer vor Redlefs Füßen in den Boden, schwang sich daran einmal im Kreis und warf ihn von hinten um. Sie blieb einfach auf ihm sitzen und reckte beide Hände in die Luft. Jetzt hörte man hier und da leise Laute der Bewunderung und verhaltenes Klatschen.
Redlef unter ihr stemmte sich mitsamt Euphena hoch und warf sie über die Schulter ab. Er versetzte ihr mit dem stumpfen Ende seines Speeres einen Schlag in den Bauch. Alles in ihr krümmte sich schmerzhaft zusammen. Ihr wurde sofort schlecht. Auf allen Vieren versuchte sie, ein wenig Abstand zwischen sich und Redlef zu bringen.
Mit einem bösartigen Grinsen stieg er ihr hinten auf den Saum und trat ihr ins Gesicht. Ihr Kopf flog zurück und Euphena spürte, wie ihr gesamter Körper erschlaffte. Die Menge um sie herum jubelte los.
Mit einem leisen Stöhnen drehte sie sich auf den Rücken. Ihr tat im Moment einfach alles weh!
»Und willst du noch weiter machen?« Redlefs Kopf tauchte über ihrem Gesicht auf. Immerhin blutete er aus der Nase. Euphena winkte ab. Sie schwitzte wie verrückt, ihr Herz fühlte sich an, als würde es versuchen, über Stock und Stein zu laufen und außerdem waren das genug Schmerzen für einen Tag.
»Gut!« Redlef streckte ihr die Hand hin. Ein wenig misstrauisch griff sie danach. Er zog sie hoch und gesellte sich wieder an seinen angestammten Platz.
»Dann wäre das also geklärt, du kannst deine Freiheit nicht wiederhaben!« Der König zuckte mit den Achseln, als wäre das einfach eine Tatsache, an der man nichts ändern konnte. Euphena versuchte erst gar nicht, seinen Blick zu erwidern, sie war noch viel zu sehr mit Atmen beschäftigt.
»Was also wünscht du hier?«
Euphena verdrehte entnervt die Augen. Was sollte diese Fragerei? Sie hatte sich eben zum Vergnügen aller, verprügeln lassen! Sie hatten ihren Spaß gehabt!
»Nun?« Die gelben Augen schienen nicht gewillt, ihr Vorhaben aufzugeben.
Euphena fuhr sich übers Haar. Was sollte sie darauf antworten? Hier gab es nichts für sie. Sie wollte nicht bleiben, durfte aber auch nicht gehen. Helwyr saß draußen angepflockt und redete nicht mit ihr und soeben war ihr einziger Traum von einem Leben geplatzt, das sie bis vor wenigen Wochen noch geführt hatte!
Verzweifelt warf sie die Hände in die Luft und sah sich um. Wenigstens sah das Essen auf den Tischen gut aus ... kochen schienen sie zu können! Ihre Kehle war sowieso staubtrocken.
»Ich wünsche mit Euch zu trinken und zu speisen und fröhlich zu sein im Kreise Eurer Leute!« So oder so ähnlich hatte das ein Gesandter einmal zu Fengus gesagt. Euphena konnte sich nicht mehr genau erinnern.
Der König setzte erneut sein verschlagenes Grinsen auf und reckte die Hände gen Himmel. »Na endlich!«
Als er sie wieder ansah, lag in seinem Blick nur noch Belustigung und sogar ein Hauch Wohlwollen. Er erhob sich und breitete die Arme aus. »Dann sei in unserer Mitte herzlich willkommen, Euphena aus dem Lande Fengus‘ des Zweiten!«
Um sie herum breitete sich Jubel aus. Diesmal galt er ihr. Euphena blinzelte überrascht. Entweder alle um sie herum hatten einen gehörigen Dachschaden, oder die Aigiden besaßen einfach einen etwas eigenen Sinn für Humor! Vermutlich handelte es sich um eine gute Mischung!
»Danke!«, sagte sie nur und drängte sich zwischen zwei Gehörnte auf eine Bank. Nachdem das geklärt war, nahm das Festessen wieder seinen gewohnten Lauf. Überall wurde getratscht und gelacht, gegessen und getrunken. Euphena langte quer über den Tisch und zog eine Schüssel mit herrlich duftendem Buttergemüse vor sich. Dazu griff sie sich einen ganzen Laib Brot und schnappte sich irgendeinen Krug. Was da drin war, würde sie dann schon sehen.
»Ich bin übrigens Kerfluns!« Der Aigidenkönig verscheuchte ihren rechten Nachbarn und ließ sich neben ihr auf der Bank nieder.
Euphena nickte nur kurz und fuhr fort sich mit Genuss eine Köstlichkeit nach der anderen in den Mund zu stopfen.
»Du nimmst uns unsere Scherzchen doch nicht übel? Hier kommt so selten jemand vorbei ...« Kerfluns langte über den Tisch und nahm einer pausbackigen Aigidin den Weinbecher weg.
Euphena stockte. »Heißt das, ich bin frei?« Sie sprach mit vollem Mund.
»Nein, wieso? Gesetz ist Gesetz! Du darfst erst gehen, wenn Redlef es dir erlaubt, oder du ihn besiegt hast!«, mahnte er sie. Klar! Wie
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