Hornjäger (German Edition)
zerfetzte Spitzengardine hoch.
Mit Schwung hievte Helwyr den armen Gwael quer über den Sattel seines Pferdes. Ein leises Ächzen war alles, was der von sich gab.
»Ist er tot?« Euphena stand plötzlich neben ihm.
»Bewusstlos«, erwiderte er sanft.
Sie lächelte erleichtert.
»Wir binden ihn an sein Pferd. Es wird nach Hause laufen, dann wird sich jemand um ihn kümmern.« Er gab der Stute einen Klaps auf den Hintern.
Sie wieherte empört, trabte aber los. Helwyr sah sich suchend um. Seine eigenen Männer konnten nur den Weg genommen haben, den sie gekommen waren, also war der arme Gwael bald in sicheren Händen.
Von Astos und den Soldaten gab es immer noch kein Lebenszeichen. Wo zur Hölle steckte der Hund, wenn man ihn brauchte?
Jetzt stand er mit einer verängstigten Hofdame und seinem Pferd gekleidet wie zu einem Maskenball, mitten im Wald und hatte keine Ahnung, was er tun sollte!
Euphena schien sich nicht über seinen Aufzug zu wundern. Bei ihrer ersten Begegnung hatte er ja auch kaum anders ausgesehen.
Helwyr seufzte. Wenn ihr Plan schon schiefgelaufen war, wollte er wenigstens den Auftrag zu Ende führen. Mit einem Pfiff rief er nach Hestus, der sich wieder irgendwo in den Wäldern herumtrieb. Sein Hengst kam aus dem Unterholz getrottet und gesellte sich zu ihnen.
»In Anbetracht der Umstände, Fräulein, werde ich meinen Auftrag natürlich abbrechen und Euch nach Hause bringen! Wenn ihr mir erlaubt, helfe ich Euch auf das Pferd.« Er stützte seine Hände auf sein Knie, um ihr beim Aufsteigen zu helfen.
Euphena wich zurück. »Nach Hause? Mein Herr ich kann nicht nach Hause!«
»Aber Ihr wollt doch bestimmt wieder in Sicherheit sein! Nach so einem schrecklichen Erlebnis ist es nur verständlich, wenn Ihr an den Hof zurückkehren wollt!«
»Ihr versteht nicht!« Eine Strähne löste sich aus ihrer ohnehin zerzausten Frisur und fiel in ihr Gesicht. »Mein Leben hängt von dieser Reise ab! Es liegt mir fern, Euch zu beleidigen, Helwyr, aber ich muss weiter!«
»Verstehe ich das richtig? Ihr habt vor, so«, er deutete auf ihre Gestalt, »durch die Wälder zu reisen?«
Sie biss sich auf die Lippe und überlegte sichtlich.
Helwyr betete, dass sie Einsicht zeigen würde und mit ihm umkehrte. Er konnte sie schließlich schlecht über die Schulter werfen und einfach mitnehmen.
»Helft mir«, flüsterte sie plötzlich.
»Wie bitte?« Helwyr hoffte inständig, dass er sich soeben verhört hatte!
»Helft mir! Bitte!« Sie kam näher. »Helwyr, ich flehe Euch an! Helft mir!« Sie stand jetzt ganz knapp vor ihm und blickte ihn aus großen Augen an. Er konnte das Pochen ihres Herzens spüren, sah das zittern ihrer Lippen ... Er wusste nur zu gut, was für sie auf dem Spiel stand. Niemand würde leichtfertig ein Leben in Freiheit gegen eines in Gefangenschaft tauschen.
Helwyr fluchte laut. Er kannte dieses Mädchen doch gar nicht! Wenn er sie nicht zurückbrachte, verriet er seinen König! Andererseits hatte sich Fengus in dieser Sache, als nicht besonders mitfühlend erwiesen. Sie würde nicht so leicht aufgeben, das hätte ihnen klar sein müssen! Nun lag die Wahl bei ihm: Schleppte er sie gegen ihren Willen zurück und besiegelte somit ihr Unglück oder verriet er seinen König und sein Land, indem er sie begleitete?
Sie allein in den Wäldern zu lassen und so tun, als wäre nichts gewesen, war Wahnsinn! Hier draußen überlebte sie keine zwei Tage. Abgesehen von echten Räuberbanden und wilden Tieren, gab es noch einen weit schlimmeren Feind: den Hunger!
Helwyr rieb sich über die Narbe. Auch nach so vielen Jahren schmerzte sie immer noch, wenn er dabei war, etwas wirklich Dummes zu machen. Einen Vorteil hatte er; noch wusste Fengus nicht, was passiert war, aber auch das würde sich in wenigen Tagen ändern. Helwyr musste sich entscheiden: der Zorn seines Königs oder das Leid eines unschuldigen Mädchens!
Euphena hatte sich stillschweigend an den Straßenrand gesetzt.
Helwyr tigerte auf und ab, während er überlegte. Sie fühlte sich schlecht, weil sie so dreist war zu verlangen, dass er eine Aufgabe seiner Majestät persönlich für sie vernachlässigte. Aber sie brauchte Hilfe! Jemanden mit Erfahrung.
Vor ihrem inneren Augen sah sie ihre letzte Chance bereits schwinden. Wenn er sich jetzt weigerte, musste sie zurückkehren und sich ihrem Schicksal fügen.
Euphena seufzte. Noch ein paar Tage zuvor war ihr Leben perfekt gewesen. Liebevolle Gesellschaft, ein Zuhause und versorgt mit allem
Weitere Kostenlose Bücher