Hornjäger (German Edition)
die Räuber erneut finden!«
»Natürlich.« Euphena fragte sich, ob es hier wohl einen zweiten Gang gab. Helwyr hatte ihren Blick bemerkt.
»Schön dekorierte Küchlein zum Nachtisch gibt es hier nicht, Fräulein. Daran werdet Ihr Euch gewöhnen müssen.«
Euphena kicherte verhalten. »Meint Ihr nicht auch, dass ich ein Messer oder so etwas brauche?« Helden, die in Geschichten auszogen, um wundersame Taten zu vollbringen, führten stets magische Waffen mit sich.
»Ehrlich gesagt wäre mir wohler, Euch kein Messer in die Hand zu geben. Aber Ihr habt recht! Es wäre wohl klüger.« Helwyr dachte nach. »Ich werde sehen, was ich tun kann. Aber jetzt sollten wir uns ins Zimmer begeben, morgen brauchen wir unsere Kräfte.«
»Wir?«
»Ja. Hier bin ich Jäger und Ihr seid mein Weib, wir sind auf der Durchreise und wollen in die Stadt. Ich will nicht, dass jemand Fragen stellt.«
»Euer Weib?«
»Außerdem reicht mein Silber nicht für zwei Zimmer, Essen und Hafer für Hestus. Aber keine Sorge, Püppchen, ich nehme den Fußboden.« Helwyr zog sie aus dem Schankraum hoch in den ersten Stock.
A ls Euphena erwachte, war Helwyr bereits fort. Die Nacht war sehr angenehm verlaufen, sie hatte zwar lange Zeit nicht einschlafen können, aber das lag vermutlich daran, dass sie eine zweite Person neben sich einfach nicht gewöhnt war. Allerdings hatte sie es sich schlimmer vorgestellt. Viele der Damen bei Hofe beklagten sich oft untereinander über das laute Geschnarche ihrer Ehegatten, doch Helwyr hatte sie in keiner Weise gestört. Manchmal murmelte er im Traum, aber das war eher belustigend als unangenehm. Euphena stand auf und öffnete das Fenster der Kammer. Nun, dann sollte sie wohl loslegen. Schicht für Schicht schälte sie sich aus ihrer Kleidung, bis sie nur noch in Bluse und wadenlangem Rock dastand. Ihr Korsett zog sie nicht aus. Das würde er ihr nicht nehmen! Metallversteift und bestickt. Etwas Gleichwertiges fand man so schnell nicht wieder. Sie schlüpfte in ihre ruinierten Stiefelchen. Sie fühlten sich zwar anders an, aber sie würde sich schnell daran gewöhnen. Zum Schluss flocht sie sich die Haare zu einem Zopf und band ihn mit dem Taillenband eines überflüssigen Rockes zusammen. Euphena besah sich ihr Werk. Es war zwar keine höfische Mode, aber für die Straße würde es reichen. Die zerknitterten Pergamente faltete sie ordentlich und schob sie zurück in ihr Mieder. Sonst hatte sie nichts, dass sie mitnehmen konnte. Der Überfall hatte sie alle ihre Habe gekostet.
Beschwingt hüpfte Euphena die Stufen zum Schankraum hinunter. Das Wetter war auf ihrer Seite und sie wollte sich von nun an gänzlich auf ihre Aufgabe konzentrieren. Im Vorbeigehen nickte sie dem verschlafenen Wirt zu und verließ das Wirtshaus durch die Vordertür. Sobald sie Helwyr gefunden hatte, konnten sie sich auf den Weg machen.
Sie lenkte ihre Schritte zum Stallgebäude. Als sie über die Schwelle trat, war Helwyr gerade dabei Hestus zu putzen. Er hielt kurz inne und flüsterte ihm etwas zu.
»Ihr sprecht zu Eurem Pferd, mein Herr?«
Helwyr fuhr herum. Als er sie sah, entspannte sich sein Gesicht.
»Die neue Tracht steht Euch.« Helwyr putzte weiter.
»Meint Ihr? Nun ja, für eine Reise wird es wohl gehen.« Euphena strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. Hestus beschnupperte sie interessiert.
»Ich bin sofort fertig. Jedoch könntet Ihr in der Zwischenzeit unsere Zeche bezahlen?« Er reichte ihr seinen Geldbeutel. In der Tür rief er sie noch einmal zurück. »Euphena, nur die Zeche!« Sie schmunzelte. Sein Geld in ihren Händen machte ihn sichtlich nervös.
Fröhlich überquerte sie den Hof und stieß sie die Tür zum Schankraum auf und erstarrte. Dort am Tresen lehnten die Banditen, die sie überfallen hatten! Den einen erkannte sie sofort an seinem Filzhut. Wenn die Räuber am Leben waren, war das kein gutes Zeichen für Astos und seine Männer!
Um nicht aufzufallen, schlenderte sie langsam durch den Raum und steuerte die nächstbeste Tür an, hinter der sie verschwinden konnte. Die Männer unterhielten sich leise. Noch war sie nicht bemerkt worden.
»Reist das glückliche Paar heute weiter?« Der Wirt wedelte mit einem Geschirrtuch in ihre Richtung.
Es gab Momente im Leben, die einfach nicht geeignet waren, um Höflichkeiten auszutauschen. Das hier war einer davon!
Ein Mann am Tresen drehte sich zu ihr um. Euphena starrte ihn ungläubig an. Es war der junge Bursche, den sie im Wald niedergeschlagen hatte.
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