Hornjäger (German Edition)
kletterte auf Jyrsins Schoß.
»Und was hast du Schönes gemacht, mein kleiner Schatz?«
»Wir haben Wäsche gewaschen!« Sipi strahlte. »Und dann hab ich einen Ohrring gefunden, schau Papa!« Sie zog ihn aus ihrem Kittelchen und legte ihn in ihres Vaters Hand.
»Ah, da schau her ...« Jyrsin gab ihn weiter an Nagda.
»Wo hast du ihn denn gefunden, Sipi?« Ihre Mutter hielt ihn am gestreckten Arm von sich und drehte ihn langsam hin und her.
»Im Wald. Darf ich ihn behalten Papa? Bitte!«
»Das kommt überhaupt nicht in Frage! Das Ding ist vermutlich mehr wert, als unser ganzer Hof mit Einrichtung und mit Balduin!«
»Mit Balduin?« Sipi staunte.
Unauffällig lehnte sich Helwyr zu Euphena. »Wer ist Balduin?«
»Ein Esel.«
»Ah.« machte Helwyr. Dass er da nicht von selbst draufgekommen war.
»Der muss Ihr gehören! Anders kann es gar nicht sein!« Alarmiert sah Nagda ihren Mann an. »Sie wird ihn bestimmt schon vermissen. Wenn man ihn bei uns findet, glaubt uns doch keiner, dass wir ihn gefunden haben!« Sie legte die Stirn in Falten. Jetzt sah sie ernstlich bekümmert aus.
»Verdammte Pferdescheiße!«
Reflexartig hielt sich Sipi die Ohren zu.
»Entschuldige, Sipi, ich hab‘s nicht so gemeint.« Jyrsin drückte sie beruhigend an sich.
»Was machen wir denn jetzt?« Nagda hielt den Ohrring von sich, als wäre er eine giftige Schlange, die jederzeit zubeißen konnte.
»Ähm.« Helwyr verstand noch immer nicht ganz, was gerade das eigentliche Problem war. Es beruhigte ihn, dass Euphena neben ihm auch ein wenig ratlos dreinblickte. »Wer ist Sie ? Und warum muss etwas getan werden?«
Jyrsin stöhnte und rieb sich die Augen. »Und das ausgerechnet jetzt, wo gerade alles so gut läuft!«
»Nicht traurig sein, Papa! Ich muss ihn gar nicht behalten! Ich lege ihn wieder in den Wald, wenn du magst!« Sipi schmiegte sich an Jyrsins Hals.
»Ich fürchte, damit ist es nicht getan, meine Kleine. Dieser Ohrring wird uns noch alle ins Verderben reißen!«
»Würde mir bitte einmal jemand erklären, worum es hier eigentlich geht?« Helwyr wurde ungeduldig. Geheimniskrämerei alleine konnte er schon nicht leiden und die Sache wurde nicht besser, wenn jemand ständig betonte, dass der Untergang nahe war.
»Verzeiht.« Nagda legte das Schmuckstück in die Mitte des Tisches und wandte sich an ihre Gäste. »Wir glauben ... nein, wir sind uns sicher, dass dieser Ohrring der hochwohlgeborenen Markgräfin Marezza gehört. Wie er hierherkommt, ist uns allerdings unklar. Die Gräfin pflegt hier nicht auszureiten, außerdem würde sie dann wohl kaum ihr feinstes Ohrgehänge tragen.«
»Wer ist diese Markgräfin?«
»Pff, wer ist die Markgräfin? Helwyr, Ihr stellt Fragen!« Jyrsin prustete. »Nagdamäuschen könnte ich einen Schluck Fichtenschnaps haben?«
Sie sah ihn böse an.
»... in Anbetracht der Umstände?« Er hob entschuldigend die Achseln.
»Aber nur einen!« Sie brachte kleine Gläser und eine angelaufene Flasche mit dickem Bauch.
»Gräfin Marezza gehört alles hier! Und wenn ich alles sage, meine ich alles, Herr Helwyr.« Eilig schüttete Jyrsin den Schnaps hinunter und seufzte dann zufrieden. »Wir Bauern sind von ihrem Wohlwollen abhängig. Sie ist eine gute Herrin. Hart, aber gerecht! Manchmal vielleicht sogar ein wenig zu gerecht ... Wie dem auch sei, Gräfin Marezza wohnt gerne weitläufig und ist schönen Dingen nicht abgeneigt.« Er deutete auf den Ohrring, der etwas verloren mitten am Tisch lag. »Sie ist eine stolze Frau und hütet ihre Schätze, wie ein Adler seinen Horst.«
»Und wo kann man sie finden?«, fragte Euphena interessiert.
»Sie lebt in der Stadt, oben auf der Anhöhe da hat sie ihre Residenz.« Mit einer beiläufigen Handbewegung brachte Nagda die Flasche mit dem Fichtenschnaps aus Jyrsins Reichweite.
»Hier gibt es eine Stadt?« Helwyr war verblüfft. Auf ihn hatte das Land eher schlicht und bäuerlich gewirkt.
»Ja, sie liegt von hier rund zwei Wegstunden entfernt und ist bekannt für ihren guten Honig.«
»Und wenn Ihr den Ohrring zurückbringt? Möglicherweise erhaltet Ihr dann einen Finderlohn.« Helwyr bewunderte Euphena. Sie hatte die einmalige Gabe Menschen an eine bessere Welt glauben zu lassen. Vermutlich lag das daran, dass sie tatsächlich in einer besseren Welt lebte als er.
»Das geht nicht.« Jyrsin verschränkte die Arme.
»Und warum?« Euphena ließ nicht locker.
»Sagen wir einfach, ich und mein Weib, wir sind in der Stadt nicht gern gesehen.«
»Aber
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