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Horror Factory 05 - - Necroversum: Der Riss

Horror Factory 05 - - Necroversum: Der Riss

Titel: Horror Factory 05 - - Necroversum: Der Riss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Voehl
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Anwesenheit auch den Hinterbliebenen, zumindest manchmal. Er wusste es nicht, und es kümmerte ihn auch nicht.
    Es gab Trauerclowns für die Lebenden. Doch er war für die Toten zuständig. Und er kam immer unverhofft, ohne Ankündigung, und ohne dass er darum gebeten wurde.
    Ab und zu gab es Probleme. Manche fragten sich, was diese merkwürdige, unheimliche Gestalt bei der Beisetzung zu suchen hatte. Manche drohten ihm Prügel an. Doch noch jeder war verstummt, wenn er in Beppos schwarze Pupillen schaute. Es lag eine Kälte darin, die jede Kritik gefrieren ließ. Diese Augen hatten etwas erblickt, was niemand sonst sehen wollte.
    Zumeist wurde er ignoriert, denn natürlich hatte man von ihm gehört. Er war eine Institution. Obwohl nie eine Gazette über ihn berichtet hatte, war Giuseppe, der schwarze Trauerclown, stadtbekannt.
    Während er nun die steilen Stufen hinab in den düsteren U-Bahn-Schacht stieg, schaute er ein letztes Mal zum Mailänder Himmel auf. Was er dort sah, gefiel ihm ganz und gar nicht.
    Am liebsten wäre er umgekehrt und so schnell wie möglich zurück in seine Wohnung gegangen. Aber das konnte er nicht. Er hatte eine Aufgabe, und die galt es zu erfüllen.
    Als er am frühen Morgen die Tageszeitung durchgeblättert hatte, war ihm eine Anzeige besonders ins Auge gestochen. Eine Todesanzeige. So begann es immer. In diesem Fall hatte es eine siebenundvierzigjährige Frau getroffen. Monica Mirelli, so ihr Name, war »für uns alle unerwartet aus dem Leben gerissen« worden. Viel mehr ging aus der Anzeige nicht hervor, außer dass sie von einem Verlagshaus aufgesetzt worden war. Offensichtlich hatte die Tote dort gearbeitet.
    Die Anzeige zog Giuseppes Sinne an wie ein Magnet, und er wusste augenblicklich, dass er heute wieder tätig werden musste. Vor seinem geistigen Auge erschien das Bild der Frau: eins achtzig groß und schlank, eine schmale, elegante Erscheinung mit Modelmaßen. Die schwarzen schulterlangen Haare glänzten ebenso wie die grünen Augen, die an eine Katze erinnerten. Die Frau war Schriftstellerin gewesen. Krimischriftstellerin. Sie hatte mehrere Affären hinter sich, aber hatte sich in letzter Zeit sehr einsam gefühlt. Vor drei Tagen war sie auf der Straße von einem Lkw erfasst worden. Nach drei Minuten und zwölf Sekunden hatte ihr Herz zu schlagen aufgehört.
    Woher er das alles wusste? Giuseppe hatte keine Ahnung, aber er ließ zu, dass die Informationen auf ihn einströmten. Erst als sie zu intim wurden, brach er den Vorgang ab.
    Er schaute auf den letzten Absatz der Anzeige. Die Beerdigung fand heute statt, »in aller Stille«, und statt Blumen bat man darum, für »Autoren in Not« zu spenden.
    Als Giuseppe das Ende der Treppe erreichte, wäre er beinahe zurückgeprallt. Hier unten spürte er die Veränderung noch deutlicher als oben. Die Ahnung, dass etwas Schreckliches passieren würde, wurde zur Gewissheit, ohne dass er sagen konnte, weshalb. Er wusste es einfach.
    Ansonsten war es wie immer: Leute hetzten an ihm vorbei. Manche rempelten ihn an, weil er in seinen übergroßen schwarzen Schuhen nicht der Schnellste war. Doch die meisten machten unwillkürlich einen Bogen um ihn und versuchten, nicht mit ihm in Berührung zu kommen. Diejenigen, die zufällig sein Blick streifte, wandten rasch die Augen ab. Die Menschen spürten, dass er anders war als sie, und er hatte nicht vor, einen Hehl daraus zu machen.
    Nicht heute.
    Während er weiterschlurfte, fielen ihm noch andere Veränderungen auf. Veränderungen, die nicht nur seiner Gefühlswelt entsprangen. Es war ruhiger als sonst, viel ruhiger. Er vermisste die Stimmen, die Gespräche, das Lachen, die hastig einander zugerufenen Begrüßungs- oder Abschiedsworte und die Lieder der Straßenmusiker, die meistens durch den Tunnel wehten. Es war die völlige Abwesenheit menschlicher Laute, die ihn irritierte.
    Giuseppe schaute sich die Passanten genauer an, versuchte, die Seelen hinter ihren Fassaden zu ergründen. Doch diese Seelen waren grau wie der Himmel über der Stadt, sodass er sich rasch wieder aus ihnen zurückzog. Er hatte Angst, es könne auch auf ihn übergreifen, was ihr Inneres in seinen Klauen hielt.
    Die meisten Menschen starrten mit leeren Augen vor sich hin. Selbst Pärchen gingen wie Fremde nebeneinander. Eine Touristenfamilie aus Deutschland stand bewegungslos vor einem Automaten. Die zwei kleinen Kinder, die die Eltern im Schlepptau hatten, wirkten wie Roboter.
    Giuseppe atmete heftiger. Das Gefühl, einen

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