Hosen runter: Roman (German Edition)
daran mangelte es nicht. Doch diese hatte Klasse. Sie spielte in einer anderen Liga, hier würde man mit den üblichen Mitteln nicht zum Ziel kommen.
Sie blickte auf die Uhr und sah danach mich an. »Tom, leider ist die Zeit um, mit Ihrer Situation würde ich mich dann gern nächste Woche beschäftigen.«
Diese Ankündigung jagte mir zwar einen gehörigen Schrecken ein, verschaffte mir jedoch andererseits dieRechtfertigung, mich die nächsten Sitzungen an diesen Stuhl zu fesseln, um ihre Gegenwart zu genießen. In dieser Zeit wollte ich sie auf eine Weise neugierig auf mich machen, die meinen Vater mit Stolz erfüllt hätte – ich würde versuchen, sie respektvoll und nach allen Regeln der Gleichberechtigung für mich zu begeistern.
Und wenn mein Plan, sie kultiviert rumzukriegen, nicht aufging, konnte ich Frau Gassner immer noch eine Keule über den Schädel ziehen und sie grunzend in meine Höhle zerren.
KAPITEL 3
Ich verbrachte einen geruhsamen Vormittag in meinem Laden und war gerade damit beschäftigt, mir vorm Spiegel Fusseln von meinem Anzug zu bürsten, als die Tür aufging und Markus hereinstürzte. Er schob ein scheußliches rot-blaues Gefährt vor sich her, in dem sein Sohn Mathis festgeschnallt war. Der Kleine war dabei, sich ein viel zu großes Spielzeug in den Mund zu rammen.
»Hey«, sagte Markus leicht außer Atem.
Meine Begeisterung über seinen Besuch hielt sich in Grenzen, denn es war zu erwarten, dass er mich die nächsten Stunden mit seinem Beziehungselend belagern würde.
»Ich muss gleich wieder weg«, teilte er mir mit, und ich hätte ihn fast vor Glück umarmt. »Kannst du mir einen Gefallen tun? Nur für ein Stündchen?«, fragte er.
»Bestimmt soll ich in der Zeit auf dein Kind aufpassen«, antwortete ich und meinte, einen Witz zu machen. An seiner Reaktion sah ich leider, dass ich voll ins Schwarze getroffen hatte. Beim ersten Versuch war ich gleich in meiner Vorstellung von der Hölle gelandet: Ich sollte als Babysitter herhalten.
»Das wäre so nett von dir«, freute er sich.
»Kann ich mir vorher noch eine Kugel in den Kopf schießen?«
»Meine Güte! Stell dich nicht so an. Der Kleine nuckelt an ein paar Sachen rum, und wenn du ihm sein Fläschchen oder ein paar Kekse gibst, liebt er dich bis in alle Ewigkeit.«
Ich starrte den vergnügten Sprössling an. Er machte einen ganz friedlichen Eindruck, brabbelte vor sich hin und war fasziniert von dem roten Plastikentchen, das er mit seinen winzigen Händchen drückte und parallel vollsabberte. Ja, der kleine Kerl war niedlich, aber ich wusste genau, dass er sich in Sekundenschnelle in eine üble Nervensäge verwandeln konnte. »Was hast du denn vor?«
»Ich treffe mich mit Tanja. Ist das nicht der Hammer?«
»Moment mal! Du triffst dich mit der Mutter eures gemeinsamen Kindes, auf das ich in der Zeit aufpassen soll?«
»Es war ihre Bedingung, dass ich Mathis nicht mitbringe. Sie meint, das würde sie zu sehr unter Druck setzen.«
»Mann, ist das gestört.«
Markus zuckte mit den Schultern. »Es ist schon ein Fortschritt, dass sie überhaupt wieder mit mir redet. Also, geht das klar?«
Ich pustete mein gesamtes Lungenvolumen auf einmal aus. Dann fuhr ich mir mit beiden Händen durchs Gesicht. Ich sah Markus an. »Du hast sechzig Minuten. Und wenn hier irgendwas mit deinem kleinen Terroristenschiefläuft, rufe ich dich sofort an. Mach also auf keinen Fall dein Handy aus!«
Markus fiel mir um den Hals und zerquetschte mich fast. »Du kannst dich tausendprozentig auf mich verlassen. Du bist ein echter Kumpel.« Endlich ließ er mich wieder los.
Ich richtete meinen Hemdkragen neu. »Was muss ich denn beachten? Was mache ich, wenn er schreit?«
»Dann nimmst du ihn auf den Arm und schuckelst ihn ein bisschen. Und rede mit ihm, lächle ihn an, sieh ihm in die Augen. Das beruhigt ihn manchmal.« Ich fand diese Antwort nicht wirklich zufriedenstellend, aber bevor ich nachhaken konnte, beugte sich Markus schon zu seinem Sohn hinab und gab ihm einen fetten Schmatzer zum Abschied. Weg war er.
Ich blickte auf die Uhr. Noch lagen neunundfünfzig Minuten und fünfundvierzig Sekunden vor mir. Ich lächelte Mathis als Friedensangebot unbeholfen an, aber er war wieder ganz damit beschäftigt, zu versuchen, sich das rote Gummitier in seinen viel zu kleinen Mund zu stopfen. Dabei liefen ihm wahre Speichelströme über Gesicht und Hände. Da die Karre den Eingang versperrte, wollte ich sie vorsichtig hinter den Tresen schieben. Leider
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