Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)
filterten. Ab und zu schimmerten kleine Felder durch, bepflanzt mit Bananenstauden, Mais oder anderem Grünzeug. Sein Acker läge auch hier in der Nähe, sagte William. Folglich erwarteten alle, jetzt gleich das Dorf zu sehen, doch nach Karstens Schätzung mußten sie noch mindestens drei Kilometer gefahren sein, bevor die ersten Hütten auftauchten.
»Ziemlich langer Weg zum Arbeitsplatz«, stellte Florian fest, der an den morgendlichen Kriechverkehr durch die Düsseldorfer Innenstadt dachte, »aber bestimmt gesünder als meiner.«
Als sich der Sandweg am Dorfeingang in verschiedene kleine Pfade verlor, ließ Karsten das Taxi halten. Von hier ab würden sie zu Fuß gehen, erklärte er James, und ob es ihm recht sei, wenn er sie in drei Stunden an genau derselben Stelle wieder abholen würde?
Dazu hatte James keine Lust. Er werde hierbleiben und sich ausruhen, der Massa solle sich nur Zeit lassen. Von William ließ er sich den Weg zur Dorfkneipe zeigen, es könne ja sein, daß er Durst bekäme. Karsten verstand den Wink. Einige Münzen wechselten den Besitzer, dann zog James ein Messer aus der Tasche und zerschnitt das Stück Strippe, mit dem er den Kofferraumdeckel zugebunden hatte. Er hob die Tüten heraus, stellte sie vor Williams Füße und forderte ihn auf, beim Anschieben zu helfen. Mit vereinten Kräften parkten sie den Wagen unter einer Kokospalme.
Als Florian nach einer Tüte greifen wollte, protestierte William energisch. Die werde er allein tragen, sagte er und setzte sich an die Spitze des Zugs.
Der hohe Besuch hatte sich schon herumgesprochen. Ein plötzliches Reinlichkeitsbedürfnis schien die überwiegend weiblichen Dorfbewohner befallen zu haben, denn die meisten von ihnen fegten mit Reisigbesen den Sandweg vor ihren Hütten sauber, oder sie hängten Wäsche auf, oder sie schritten mit einem leeren Gefäß auf dem Kopf betont langsam die Straße entlang – jedenfalls herrschte ein recht lebhaftes Treiben. William winkte fröhlich nach allen Seiten, hob immer wieder seine Tüten in die Höhe, lachte, rief hier jemandem etwas zu und schüttelte dort einem anderen die Hand, strahlte und war rundherum glücklich.
»Heute ist er der King hier«, sagte Karsten schmunzelnd und ließ sich bereitwillig von einem kleinen Mädchen betasten, das vorsichtig über seinen nackten Arm strich. »It’s my own colour.« So ganz schien es der Farbechtheit aber nicht zu trauen. Es steckte seinen Finger in den Mund und versuchte es noch mal mit Spucke. Ein Schokoladenbaby, das sich noch kaum auf den Beinchen halten konnte, kam aus einer Hütte gestolpert. Ungläubiges Staunen stand in seinen großen dunklen Brombeeraugen, doch als Tinchen auf den kleinen Knirps zuging, brüllte er voller Angst los und verschwand auf allen vieren hinter der Tür.
Der habe auch noch keine Weißen gesehen, erklärte William, genau wie sein Bruder Jimmy. Den habe er allerdings genügend vorbereitet, so daß er bestimmt nicht weglaufen werde.
Williams Haus stand am Dorfrand. Drei oder vier Hütten folgten noch, dann begann schon wieder der Wald. Der Vorplatz mußte erst vor kurzem gefegt worden sein, denn ihre Fußabdrücke zeichneten sich deutlich auf dem gestrichelten Sand ab. »Come in!« sagte William, mit dem Ellbogen die Tür aufstoßend.
Ihre Augen mußten sich erst an das Dämmerlicht gewöhnen. Sie standen in einem schmalen Gang, auf der rechten Seite von einer durchgehenden Wand begrenzt, während es auf der linken zwei Türen gab. Geradeaus befand sich auch noch eine, die auf eine Art überdachten Hof führte. Anscheinend diente er als Küche, denn Tinchen bemerkte eine gemauerte Feuerstelle und daneben ein Regal aus rohen Brettern, auf dem zwei Töpfe standen und ein bißchen Geschirr. Zusammen mit einem Hocker und den zwei grünen Plastikeimern bildete es das gesamte Mobiliar.
William öffnete die letzte der beiden Türen und ließ seine Gäste eintreten. Das war gar nicht so einfach, denn der Raum war voll. Übervoll. Den meisten Platz beanspruchten die beiden über Eck stehenden Betten. Eins war aus Messing mit einem voluminösen Kopfteil, dessen Stäbe sorgfältig poliert waren, das andere aus einfachen Brettern zusammengezimmert. In der gegenüberliegenden Ecke stand eine altersschwache braune Kommode mit drei Schubkästen, darüber hing eine Einkaufstasche aus Sisal, in der die Wertsachen der Familie aufbewahrt wurden. Doch das erfuhren sie erst später, als William seine Schätze vorzeigte.
Was dann noch an
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