Hueter der Daemmerung
wieder ein, wie stur sie sein konnte. Sie und Cully hatten sich einmal stundenlang wegen eines Pokerspiels in der Wolle gehabt. Sie hatten sich bis tief in die Nacht angegiftet, wobei Kara Cully wiederholt aufgefordert hatte, die Sache draußen mit ihr auszutragen. Damals war es lustig gewesen. Er und Jake hatten Wetten abgeschlossen, wer als Erstes einknicken würde.
Und das war nicht Kara gewesen.
Willow räusperte sich. »Hört mal, ich will keinen Ärger machen oder so.«
»Tust du auch nicht«, sagte Alex, ohne den Blick von Kara abzuwenden. »Stimmt doch, Kara, oder?«
Zunächst gab Kara keine Antwort. Alex konnte nicht erkennen, was sie dachte. Mit bedächtigen Bewegungen steckte sie ihre Waffe weg und verstaute sie im Holster unter dem Bund ihrer Jeans.
»So«, sagte sie kühl. »Dann gehen wir wohl besser mal nach drinnen, was? Sieht ja so aus, als hätten wir alle eine Menge zu bereden.«
Alex verstand nicht auf Anhieb, was sie meinte. Er sah zu dem dunklen Haus hinauf. »Nach drinnen – was? Das hier ist euer Hauptquartier?« Er drehte sich um und starrte die anderen AKs ungläubig an. »Soll das heißen, ihr habt sie hierhergeführt? Direkt zu eurem Hauptquartier?«
Kara warf Sam einen scharfen Blick zu. »Wen hergeführt? Hat es Probleme gegeben?«
Alex konnte nicht anders, er lachte laut auf. »Ja, du hast recht, lass uns reingehen. Wir haben echt eine Menge zu besprechen.«
6
Kara führte sie durch den Hintereingang ins Haus und knipste das Licht an. Alex konnte Kartons erkennen, die an den Wänden gestapelt waren, und abgetretene Bodenfliesen mit einem blau-weißen Blumenmuster. In einer Ziernische, die so aussah, als sei sie eigentlich für eine Vase gedacht, lagen eine Taschenlampe und ein wenig Kleingeld, das jemand dort deponiert hatte.
»Was ist das hier?«, fragte er. Er trug ihre Campingausrüstung vom Motorrad herein und ihre Sturzhelme. Viel mehr besaßen sie ja nicht.
»Willkommen in der AK-Zentrale«, sagte Kara. Sie ging voraus zu einer kleinen Küche. Die anderen AKs blieben im Flur stehen, von wo aus sie Willow misstrauisch beäugten. Besonders Sam behielt jede ihrer Bewegungen genauestens im Auge, als könne sie jederzeit ihren Heiligenschein ausfahren und sich kreischend auf ihn stürzen, um seine Aura auszusaugen.
Alex lud ihr Zeug in einer Ecke ab. Dann ging er zu Willow, die am Küchentresen lehnte, und strich ihr leicht über den Rücken. Das kleine Lächeln, das sie ihm schenkte, reichte nicht bis zu ihren Augen.
Kara stellte ihnen die anderen vor. Sam kannte Alex bereits besser, als ihm lieb war. Das Mädchen mit dem scharf geschnittenen Gesicht und den langen schwarzen Haaren, das einen blassen Gothiclook pflegte, war Liz. Sie warf Willow wiederholt entsetzte Seitenblicke zu – ihr das Leben zu retten reichte anscheinend nicht aus, um ihr Vertrauen zu gewinnen. Trish, das sommersprossige braunhaarige Mädchen, wirkte nicht weniger entsetzt. Darüber hinaus schien sie jedoch zusätzlich unter der angespannten Atmosphäre zu leiden und schaute die anderen bekümmert an.
Jeder murmelte ein »Hi«. Mit einer winzigen Verzögerung machte Brendan, der Kleine mit den drahtigen Haaren, einen Schritt nach vorne, um Alex verlegen die Hand zu schütteln. Mit einem ängstlichen Blick auf Willow trat er hastig wieder den Rückzug an.
Der schwarze Junge war Wesley, der mit seinen hochgezogenen Augenbrauen und dem spöttischen Mund eigentlich so aussah, als müsse er einen großartigen Sinn für Humor haben -wenn er nicht gleichzeitig so ausgesehen hätte, als hätte er in seinem ganzen Leben noch nie gelächelt. Er zog ein finsteres Gesicht und scharrte mit den Füßen. »Brauchst du uns hier noch, Kara?«, grummelte er.
»Nein, ich glaube nicht«, erwiderte Kara. »Warum geht ihr nicht in den Fernsehraum, oder zum Schießstand oder so, damit wir drei uns unterhalten können?«
»Bist du sicher?«, fragte Sam. Er kniff seine blauen Augen zusammen und taxierte Willow abschätzend. »Könnte ja sein, dass du Unterstützung brauchst.«
Alex schnaubte. Nur mit Mühe hielt er sich davon ab, darauf hinzuweisen, dass Unterstützung ja wohl um einiges besser funktionierte, wenn derjenige, der sie leistete, auch wusste, wie man eine Waffe abfeuerte.
»Ja, Sam. Ich bin mir sicher. Los jetzt. Ich erzähle euch später alles, was ihr wissen müsst.«
Nachdem die AKs sich davongemacht hatten, setzte Kara Wasser auf. Sie fing an, Becher aus einem Schrank zu holen, dann
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