Hüter der Flamme 02 - Das Schwert des Befreiers
sechs
Ansiedelung
Alle Dinge sind künstlich, denn die Natur ist Gottes Kunst.
Sir Thomas Browne
Karl wurde vom Tal völlig überrascht, obwohl ihm Ellegon morgens gesagt hatte, daß sie es kurz nach Mittag erreichen würden. Er führte seine Stute eine sanfte Anhöhe durch die verkohlten Überreste eines früheren Waldes hinauf. Es war unklar, wodurch dieser Waldbrand entstanden war, der eine schwarze Spur in die Umgebung geschlagen hatte. Vielleicht war jemand unvorsichtig gewesen, vielleicht war es Blitzschlag.
Der Brand lag schon Jahre zurück. Regen hatte inzwischen die verkohlten Bäume in eine flache Aschenschicht verwandelt, die sowohl den Planwagen wie auch dem ehemaligen Sklavenkastenwagen leichte Durchfahrt ermöglichte.
Langsam kam das Leben zurück. Daumendicke Schößlinge erhoben sich unvorsichtig schon brusthoch, als wollten sie versprechen, daß das Land wieder bewaldet sein würde. In einer leichten Brise nickten die Farne zustimmend.
Als weitere Bestätigung hatten die Gräser den Grund auf dem Gipfel des Hügels wieder in Besitz genommen.
Die Stute schnaubte und stieß ihn von hinten sanft an.
»Aber Karotte, wir gehen doch schnell genug.« Er streichelte ihr den Hals, ehe er sie weiterführte. »Langsam, hörst du? Ich will nicht, daß du dir ein Bein brichst.«
Sie wieherte, als würde sie ihn verstehen und ihm zustimmen, daß ein Beinbruch nicht das höchste Ziel ihres Pferdelebens war.
Hmmm, würde der Heiltrank auch bei einem Pferd wirken?
Möglich, durchaus möglich.
Aber würde Ahira etwas gegen das Experiment haben, selbst wenn es darum gehen würde, die Stute zu töten oder zu retten?
Mit Sicherheit. Der Zwerg und Pferde empfanden alles andere als eine tiefe Zuneigung zueinander.
Hinter ihm stöhnte Ahira laut, als er die Zügel seines grauen Wallachs hinter sich herzerrte. »Bewegung, du dreckiges kleines Ungeheuer. Bewegung, habe ich gesagt!« Das Pony überragte den Zwerg und hatte den Kopf zurückgeworfen. Es schnaubte, als Ahira ihn Zoll für Zoll weiterzerrte.
*Ein richtiger Pferdekenner, was?* Die mentale Stimme war schwach.
Stimmt!
Hinter Ahira folgte Slowotski. Wie üblich saß er auf dem Bock des Wagens, die blonde Kirah dicht neben sich. Ein paar Wochen Freiheit hatten viel für Kirahs Aussehen getan. Eigentlich war sie recht hübsch, wenn auch etwas zu mager für Karls Geschmack.
Tief in ein Gespräch versunken tätschelte Walter ihr Knie. Karl fand das irgendwie beruhigend, wenn er sich auch wegen dieses Gefühls etwas schämte.
Walter ist mein Freund. Verdammt noch mal! Ich sollte froh sein, daß er jemand gefunden hat und nicht erleichtert, daß ich mir wegen ihm und Andy-Andy keine Sorgen mehr machen muß.
*Soweit ich weiß, hat man Walter noch nie nachsagen können, sich nur einer zu widmen.*
Ellegon!
*Wenn du einem oder beiden trauen willst, tu's. Wenn nicht, dann nicht. Aber wenn du dich deswegen quälst, scheinst du keine echten Probleme zu haben. Soll ich dir mal ein paar aufzählen?*
Nein, danke, Ellegon ...du baust einen wirklich immer so großartig auf.
*Denk dir nichts dabei.*
Tue ich auch nicht.
Hinter Slowotski und Kirah schlief Lou Riccetti unter einer leichten Decke, mit einem Getreidesack als Kopfkissen. Der Wind trug sein Schnarchen bis an Karls Ohren.
Na ja. Riccetti sollte den Bullen im Auge behalten, der hinten mit einem Strick durch den Nasenring am Wagen angebunden war. Karl dachte kurz daran, Riccetti zu wecken, ließ es dann aber bleiben. Es war unnötig; das schwerfällige Tier trottete brav dahin.
Andy-Andy fuhr den ehemaligen Sklavenwagen, Klein-Aeia eng an sie gekuschelt. Auf dem Dach waren auch noch fünf Hühnerkäfige festgebunden. Die Gitter des Wagens waren entfernt und lagen jetzt bei den anderen Eisenstangen hinten drin.
Neben dem Wagen liefen zwei Ziegen und gaben ihre wenig schmeichelhafte Meinung über die ganze Gruppe lautstark von sich. Aeia drehte sich um, um sie zu beruhigen. Sie mochte Ziegen, obwohl die streng riechenden Geschöpfe ihre Zuneigung nicht erwiderten.
Aeia war immer noch ein Problem. Sie schlief noch keine Nacht durch, ohne weinend aufzuwachen. Dann mußte Andy-Andy sie eine Stunde auf den Arm nehmen, ehe sie wieder einschlief.
Die Lösung war einfach: Aeia hatte Heimweh. Dem hätte man abhelfen können, aber das wollte Andy-Andy nicht. Sie hatte das kleine Mädchen mehr oder weniger adoptiert.
Hinter dem Wagen führten nebeneinander Tennetty, Chton, Ihryk und Fialt ihre Pferde und
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