Hüter der Flamme 04 - Der Erbe der Macht
der Reihe nach.
»Ganness, hast du zugeschaut, als ich die Bomben für Walter und Ahira vorbereitet habe?«
»Ich könnte dir helfen«, warf Tennetty ein.
»Klappe. Du hältst die Augen offen. Ganness?«
Ganness spuckte aus. »Nein. Ich war zu sehr mit Zittern beschäftigt, um auf etwas anderes achten zu können, wenn du es unbedingt wissen willst.«
»Dann schau mir auf die Finger. Es ist nicht schwierig.« Er winkte Ganness zu sich. »Zuerst nimmst du einen solchen Stahlzylinder, vorsichtig - langsam, ganz langsam; das Zeug kann dir beim geringsten Anlaß um die Ohren fliegen - und schiebst eine von diesen Metalldingern an einem Ende hinein. Das ist der Zünder. Anschließend das Ding, das wie ein Streichholz aussieht - will sagen, anschließend dieses andere Ding. Du schiebst das ins andere Ende.«
Die Zündladung bestand hauptsächlich aus Schießpulver, der Zünder aus Knallquecksilber; der Sprengstoff selbst war Schießbaumwolle, Nitrozellulose. Karl hatte diese Bomben damals gegen die Kanonen der Sklavenjäger eingesetzt, nach dem Ende des Holtun-Bieme-Krieges jedoch keine mehr herstellen lassen. Bis Ranellas neue Läuterungsmethode die Unreinheiten in dem Zeug beseitigt hatte - behauptete sie zumindest! -, war es zu instabil gewesen, um längere Zeit gelagert zu werden.
Die Briten hatten zu früh mit Schießbaumwolle herumgespielt; verhängnisvolle Explosionen zwangen sie, sich für lange Jahre wieder auf Schwarzpulver umzustellen. Es war besser, den gleichen Fehler hier nicht auch zu begehen.
Ganness rieb sich nervös die Hände, nachdem er hineingespuckt hatte, und kniete neben Karl nieder. Erst sah es aus, als wolle er zugreifen, dann stand er wieder auf. »Nein«, sagte der Kapitän und schüttelte den Kopf. »Nein. Es kommt die Gelegenheit, wo ein Mann nein sagen muß. Ich fasse das Zeug nicht an. Diese Sorte Magie jagt mir Angst ein, Karl Cullinane, und ich will nichts damit zu tun haben.« Ganness verschränkte die Arme vor der Brust.
»Du denkst doch nicht daran, uns im Stich zu lassen, oder?« fragte Karl mit leiser, frostiger Stimme und verzog das Gesicht zu einem düsteren Grinsen, das darauf abzielte, seinem Gegenüber das Blut in den Adern gerinnen zu lassen.
Die beabsichtigte Wirkung trat ein. Selbst im Licht der Sterne war zu erkennen, daß Ganness sichtbar blasser wurde.
»Nein, nein«, protestierte er. »Aber ich will das Zeug da nicht anfassen. Das ist alles.«
Karl hob die Schultern. »Dann hältst du im Westen Ausschau. Während ich das hier erledige.«
Ganness hielt Wache, und Karl setzte die Bomben zusammen. Er war erst zur Hälfte fertig, als Tennetty sich meldete.
»Karl, ich höre ...«
Etwas sauste an Karls Ohr vorbei.
Tennettys Worte endeten in einem heiseren Aufschrei, als sie auf den Armbrustbolzen niederblickte, der aus ihrem Leib ragte. Blut rann ihr aus dem Mund, und sie fiel auf die Knie.
Eine rauhe Stimme flüsterte: »Ta havath, Karl Cullinane. Beweg dich, und du bist tot.«
Zwei hochgewachsene Männer traten aus der Dunkelheit. Jeder trug ein Gewehr über der Schulter und eine Armbrust in der Hand; der Zunächststehende legte soeben einen neuen Bolzen in seine Waffe.
Avair Ganness, noch blasser als zuvor, wandte sich an Karl. »Ich habe aufgepaßt, Karl Cullinane, aber ...«
»Ruhe«, zischte einer der Männer. »Karl Cullinane, tritt ein paar Schritte zurück, leg den Gegenstand da auf den Boden und bleib ruhig stehen. Du kannst dich auch wehren, dann stirbst du gleich hier. Uns soll es gleich sein.« Er schenkte seinem Gefährten ein kurzes Grinsen. »Wir haben ihn erwischt, Chuzet.«
»Immer vorsichtig. Tu, was er sagt, Karl Cullinane. Oder stirb.« Der Sklavenjäger hob die Achseln. Sie schienen keine besonderen Anweisungen erhalten zu haben, wie er abgeliefert werden sollte.
»Erlaubt mir wenigstens, ihr einen Schluck Heiltrank einzuflößen«, bat Karl. »Die Flasche steckt in dem Beutel da drüben.«
Tennetty regte sich kaum noch, aus glasigen Augen schaute sie zu ihm auf, aber er konnte den Puls an ihrem Hals flattern sehen.
»Nein. Ich werde ihrem Leiden ein Ende setzen, wenn du Wert darauf legst. Aber du stellst jetzt das Ding hin, oder du stirbst.«
Zeit schinden, ermahnte er sich. Etwas anderes blieb ihm nicht übrig; die beiden sahen aus, als wüßten sie, was sie taten.
Karl entfernte sich drei vorsichtige Schritte von dem Packen mit den Sprengkörpern, ging in die Hocke und setzte die Bombe behutsam in den Sand.
»Jetzt, Chutfale?
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