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Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe

Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe

Titel: Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg S. Gustmann
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gewesen.
     
    Hier sollte die Lanze ihren Ehrenplatz bekommen. Eilig räumte er eine schmale Ablage aus Metall frei und legte die Reliquie behutsam dort ab. Gähnend verließ er den Safe, betätigte auf dem Display einen Befehl. Daraufhin fügte sich die Tür nahtlos in die sie umgebenden Wand ein, dass nicht mehr ihre Umrisse zu sehen waren. Schneider drehte sich zufrieden um, schritt die Stufen zu seinem Schlafzimmer empor und legte sich seelenruhig schlafen, als wäre er aus einem entspannenden Urlaub zurückgekehrt. Dass an diesem Tag zwei Menschen ihr Leben lassen mussten, erschien ihm als Preis für seinen Erfolg keinesfalls zu hoch.

XIII
    »Brauchst du eine Pause, Harvey?«, fragte Lea und ergriff ihn an der Schulter. Insgeheim hoffte sie, er würde verneinen.
    »Danke, es geht schon. Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, die beiden Schächer. Dismas war derjenige, der Jesus um Vergebung gebeten hatte und Gestas war der unbußfertige Räuber, der bis zu seinem Ende Jesus verhöhnt und gelästert hatte. Was ist also mit den beiden geschehen? Nachdem im ganzen Land eine heftige Sonnenfinsternis einsetzte, bekamen die Leute Angst. Die Römer frönten ihrem Aberglauben und verehrten ihre Götter. Eine Finsternis konnte für sie nichts Gutes bedeuten. Nun kommen wir zu dieser Legende. Wenn man ihr Glauben schenken darf, haben die Eltern von Dismas während des Durcheinanders die Gelegenheit ergriffen und um den Leichnam ihres Sohnes gebeten. Sie hatten die Szene, in der Jesus seinem Nachbarn vergeben hatte, mitbekommen und waren überglücklich, dass sich Dismas noch kurz vor seinem Tod von seinem alten Weg abgewandt hatte. Sie sollen zu den Menschen gehört haben, die Jesus in den letzten zwei Jahren seines Predigtdienstes nachgefolgt waren. Der römische Hauptmann, der nahe dem Kreuz von Jesus gestanden hatte, bewilligte den drängenden Wunsch der Verwandten, befahl ihnen aber zugleich, den anderen Räuber ebenfalls mitzunehmen und sich zusätzlich um den Fremden zu kümmern.«
    Lea schaute Harveys an. »Welchen Fremden?«
    »Genau das ist der springende Punkt. Die Legende spricht von einem weiteren Mann, einem Fremden , den niemand zuvor an diesem Ort gesehen hatte. Ein Ausländer vermutlich. Damals war es nicht ungewöhnlich, dass Tausende von Pilgern dem bevorstehenden Passahfest beiwohnen wollten. Dieser Fremde jedoch lag nicht weit vom Fuß des Kalvarienhügels entfernt zusammengesunken da. Er war durch den Lanzenstich eines Legionärs getötet worden. Nachdem die Menschenmenge durch die Finsternis beunruhigt auseinander gestoben war, hatte der Fremde noch dort gelegen und niemand wagte es, sich dem bleichen und, wie es heißt ›glatthäutigen, bartlosen‹ Mann zu nähern. Er wurde aus einem unerfindlichen Grund gemieden, als bedeute seine Existenz Unheilvolles und Böses.«
    »Davon habe ich schon einmal gehört«, rief Lea nachdenklich. »Er soll ins Tal Ge’Hinnom gebracht worden sein, also hierher, ganz dicht am Rand des Blutackers.«
    »Ganz recht. Die beiden Schächer wären normalerweise in dem ›ewigen Feuer‹ verbrannt worden, das hier im Hinnomtal brannte, eben der Gehenna, der Hölle. Doch ihr müsst bedenken, dass Verbrennen für die Juden das vollständige Auslöschen der Existenz auch über den Tod hinaus bedeutete und das war für sie das Schlimmste, das einem passieren konnte.«
    Lea konnte nicht mehr still sitzen und stand auf. Die Geschichte hatte etwas Faszinierendes. »Außerdem: Wenn du sagst, dass der eine Räuber Buße über seine Sünden getan hat, dann hätte er doch sowieso nach jüdischem Recht etwas Besseres verdient gehabt, als verbrannt zu werden?«
    Smith räusperte sich. »Eigentlich schon. Die Römer hätten mit den beiden Räubern und diesem sonderbaren Fremden kurzen Prozess gemacht. Die Crematio war für die Römer ja die gängige Art, sich der vielen Toten zu entledigen, die entweder am Kreuz oder in der Arena umgekommen waren. Und außerdem …« Smith lachte auf. »Das kurze, von Röcheln und Stöhnen unterbrochene Gespräch zwischen Jesus und Dismas hatte für die Römer keinerlei Bedeutung. Ein Gespräch zweier Verurteilter! Selbst wenn sie davon gewusst hätten, hätten sie bestimmt nicht gejubelt, dass sich ein Räuber bekehrt hat. Nur seine engsten Verwandten, die der Kreuzigung beiwohnten, werden mitbekommen haben, was ihm an der Seite Jesu wiederfahren ist.«
    Mosche nickte nachdenklich. »Jetzt verstehe ich. Die Eltern von diesem Dismas durften ihren Sohn

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