Hüter der verborgenen Bücher (Buch 1)
auf und sagte:
„Ich denke, meine Unschuld ist bewiesen. Ihr entschuldigt mich.“
Und damit verließ er den Saal. Emily schaute ihm voller Mitleid nach, dann fragte sie Miki leise:
„Was war das für ein Ding, das er geworfen hat? Dieses Tuch?“
„Ein Giftnetz. Es ist sehr schwierig, eines herzustellen“, flüsterte Miki. „Der Geist wusste bestimmt aus einem Buch der unterirdischen Bibliothek, wie man eines erschafft.“
Madame Foucault drehte sich zu den Kindern um. „Ich hoffe, ihr versteht jetzt die ganze Geschichte. Archibald hat sich schuldig gefühlt am Tod seiner Schwester – also hat er sich gestellt. Er wurde gefragt, was genau passiert war, doch er sagte nur, dass er Nara umgebracht habe. Sonst nichts. Natürlich glaubten viele, er stecke mit dem Geist unter einer Decke, oder er wäre sogar selbst der Geist. Doch Beweise dafür gab es nicht. Darauf wurde Archibald für zwanzig Jahre aus Arcanastra verbannt.“
„Ich war natürlich noch immer davon überzeugt, dass er der Geist war“, sagte Sophia. „Und fast hätte ich es jemandem erzählt. Ich habe ins hüpfende Buch eine Nachricht an die damalige Oberste Bibliothekarin geschrieben…“
„Natürlich“, murmelte Miki. „Sie war die 93. Oberste Bibliothekarin Arcanastras.“
Sophia nickte. „Aber dann habe ich das Buch doch nicht zu ihr geschickt. Archibald bedeutete mir einfach zu viel… auch wenn ich wusste, dass ich verpflichtet gewesen wäre, meinen Verdacht mitzuteilen. Und da man in den folgenden Jahren von der Gilde nichts mehr hörte, dachte ich, es wäre nicht so schlimm, wenn ich mein Geheimnis für mich behalte.“
Madame Foucault nickte. „Erst als Archibald aus der Verbannung zurückkehrte, bat er Sophia um das Buch, um seine Unschuld zu beweisen und wieder als Buchbinder hier arbeiten zu können. Er hatte das Gefühl“, sie warf einen Blick zu Shaddocks leerem Sessel, „dass er für seine Schuld genügend bezahlt hatte.“
„Und ich wusste endlich, dass er nicht der Geist war“, sagte Sophia. „Leider ist das Buch gleich wieder entwischt… oder die Grille, besser gesagt. Eine Freundin von mir hat sie konstruiert, und im Lauf der Zeit ist die Mechanik immer eigenwilliger geworden. Die Grille ist kaum einzufangen. Zwar habe ich sie und das Buch immer wieder gesehen – auch in meinem Haus – aber erwischt habe ich sie nie mehr.“
„Amy hat es geschafft“, erklärte Emily. „Nicht ich. Aber warum hat die Grille – oder das Buch – mir die versteckten Schriften überhaupt gezeigt?“
„Wahrscheinlich haben sie dir vertraut, weil sie wussten, dass du zu mir gehörst“, vermutete Sophia. „Immerhin wohnst du bei mir.“
„Gut, dass wir das Buch endlich haben“, sagte Madame Foucault. „Wie gesagt, es ist uns damals wieder entwischt… nur Sophia und ich hatten die Gelegenheit, uns die Geschichte im Panoptikum anzusehen. Die anderen Hüter mussten sich bisher auf unser Wort verlassen, dass Archibald tatsächlich unschuldig war. Jetzt kann sich jeder selbst davon überzeugen. Und, was noch wichtiger ist: Man kann im Buch nach Hinweisen auf den Geist suchen. Wir werden es den Hütern geben, die sich mit dem Aufspüren der Gilde beschäftigen.“
Eine Weile schwiegen alle. Dann fiel Emily etwas ein:
„Aber… was ist mit der Orakelmechanik?“
Madame Foucault schaute sie scharf an.
„Was habt ihr mit einer Orakelmechanik zu tun? Und wo habt ihr eine gefunden? Sie sind verboten, und äußerst gefährlich.“
Da stimmte Emily ihr aus ganzem Herzen zu. Noch immer geisterte die Flüsterstimme durch ihre Träume und ließ sie oft schweißgebadet aus dem Schlaf aufschrecken.
„Nun ja… das würde ich lieber nicht sagen“, bat sie. Madame Foucault biss unzufrieden die Lippen zusammen.
„Na schön, na schön“, murmelte sie. „Und was ist nun mit der Orakelmechanik?“
„Ich habe sie gefragt, ob Shaddock – Mr. Shaddock – der Geist sei. Und sie hat es bestätigt.“
Madame Foucault seufzte. „Orakelmechaniken sind betrügerisch… bist du sicher, dass du ganz genau gefragt hast?“
Emily überlegte. Jetzt, wo sie nochmals darüber nachdachte… sie hatte nach dem Geist gefragt… dann nach Shaddock…
„Nein“, gab sie zu. „Das Orakel ist mir ausgewichen… genau genommen hat es nur gesagt, dass Mr. Shaddock ein Mädchen umgebracht hat und dafür verbannt worden ist. Nicht, dass er der Geist ist.“
„Siehst du“, nickte Madame Foucault. Und Emily war jetzt davon überzeugt, dass
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