Hüterin der Seele -: Sea Haven 2 (German Edition)
Nachtgarten voller weißer Blumen hinunter, die ihre Gesichter zu den Sternen hoben. Sie liebte den Frieden, den dieser Garten ausstrahlte, wenn sie den mitternächtlichen Himmel über sich und die weißen Blüten unter sich betrachtete. Und dann gab es noch all die Gärten, in denen wüste Farbenpracht herrschte, Massen von Blüten, die miteinander um Raum und Aufmerksamkeit wetteiferten, eine wilde Melodie aus Farben. Jeder Tag der fünf Jahre, die sie jetzt hier gelebt hatte, war nötig gewesen, um ihre Gärten genauso zu gestalten, wie sie sie haben wollte.
Es würde wehtun, von hier fortzugehen, aber die Familie stand an erster Stelle. Das, was für Rikki notwendig war, besaß Vorrang. So grässlich der Abschied auch sein würde – Judith würde nicht zurückblicken. Sie hatte am eigenen Leib erfahren, dass Menschen mehr zählten als alles andere, nicht, wo sie lebte oder welcher Arbeit sie nachging. »Du weißt, was Levi dazu sagen wird, Blythe«, sagte sie sanft. »Er wird sagen, von ihm aus kann sie alle der Teufel holen.«
»Ich weiß«, stimmte Blythe ihr zu, »aber am Ende wird er, ebenso wie wir, das tun, was das Beste für Rikki ist.«
Airiana räusperte sich, spielte mit dem Griff ihrer Teetasse und zwang sich dann, Blythe in die Augen zu sehen. »Könntest du nicht mit Elle reden? Du bist ihre Cousine.«
Blythe schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht im besten Einvernehmen mit den Drakes, Airiana. Das wisst ihr alle. Wir kommen in erster Linie deshalb miteinander aus, weil sie nie unhöflich sind, und ich bin es auch nicht. Wir sind alle dazu erzogen worden, nie grob zu werden.«
»Blythe«, sagte Judith behutsam, »sie alle lieben dich. Niemand außer dir selbst gibt dir die Schuld am Tod deiner Mutter.«
Blythe blinzelte gegen ihre Tränen an. »Vielleicht ist das wahr, aber ich kann sie um nichts bitten und ich bezweifle, dass es etwas ändern würde, wenn ich es täte. Sie würden ganz einfach sagen, sie zwingen uns nicht zu gehen, und das entspräche auch der Wahrheit. Aber sie würden uns höflich kaltstellen.«
Airiana umarmte sie. »Es tut mir leid, dass ich das Thema zur Sprache gebracht habe. Ich weiß, dass du eine schwierige Zeit durchmachst, und es war rücksichtslos und selbstsüchtig von mir, dir das auch nur vorzuschlagen. Es tut mir wirklich leid, Blythe.«
»Keine Sorge, Airiana. Ich glaube, es liegt nur an dieser Jahreszeit.« Sie sah Judith in die Augen. »Für dich jährt es sich auch. Wie kommst du zurecht?«
Judith zuckte die Achseln. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als zu lächeln und »gut« zu sagen. Was auch immer das heißen sollte. Ihr Bruder war tot und nichts würde ihn jemals wieder zurückholen. Paul war schlicht und einfach ihretwegen ermordet worden. Aufgrund ihrer Dummheit. Ihres Leichtsinns. Ihrer Taten. Blythe gab sich die Schuld am Tod ihrer Mutter, aber sie war nicht die direkte Ursache, ganz gleich, was sie selbst glaubte. Judith hingegen wusste, dass sie mit absoluter Sicherheit den Tod ihres Bruders verschuldet hatte.
»Ich sollte jetzt wohl besser Inez zurückrufen und einen Termin mit dem potentiellen Käufer für die Galerie vereinbaren. Ich hoffe, diesmal ist es ein echter Interessent. Inez kann es sich nicht leisten, weiterhin beide Geschäfte zu finanzieren.«
»Eine Zeitlang war das Gerücht im Umlauf, Jackson hätte sich als Teilhaber in das Lebensmittelgeschäft eingekauft«, sagte Airiana. »Glaubst du, das ist wahr?«
»Wenn ja, dann steht Inez finanziell schlechter da, als ich dachte«, erwiderte Blythe. »Sie liebt diesen Laden und er hat ihr immer Geld eingebracht. Wenn sie das tun musste, heißt das, dass sie viel zu viel Geld in Franks Galerie gesteckt hat, um sie für ihn zu erhalten.«
Beide Frauen sahen Judith an. Da sie die Galerie betrieb, wusste sie besser als jeder andere, wie viel der Laden abwarf. Sie zuckte die Achseln, da sie nicht einmal mit ihren Schwestern über die Angelegenheiten von Inez und Frank reden wollte. Sie warf einen Blick aus dem Fenster auf den Garten unter sich, denn sie brauchte den Anblick der wilden Farbenpracht, die großzügig vorhanden war, um die Wunden ihrer Seele zu lindern. Der Wind fuhr durch die Blumen und ließ Wellen in jedem erdenklichen Farbton wogen.
Während sie hinausblickte, glitt ein Schatten über die Blumen und dämpfte für einen Moment die Wirkung der Farben. Sie blickte zum Himmel auf und rechnete damit, eine Möwe oder einen Geier vorüberfliegen zu sehen, doch dort war
Weitere Kostenlose Bücher