Hütet euch vor Harry
weißt, sind wir Polizisten, und die sind nun mal sehr mißtrauisch.«
»Himmel, Onkel John, was ist los mit dir? Du stellst dich vielleicht an. Schlimmer als meine Eltern manchmal. Harry hat mir das Leben gerettet. Die Skins hätten mich erschlagen. Da kennen die keine Gnade, das weißt du auch.«
»Kann alles sein. Nur begreife ich nicht, daß Harry mir seinen Nachnamen nicht sagen will.«
»Das ist doch egal.«
»Nicht für uns.« Ich blieb freundlich, obwohl bei Suko und mir längst die Alarmglocken angeschlagen hatten. Wir glaubten beide nicht daran, daß Harrys Besuch ein Zufall war. Da steckte ein gewaltiger Plan dahinter, ein gefährlicher.
Johnny winkte ab und stieß seinen Freund an. »Okay, tu ihm den Gefallen, Harry, sage ihm deinen Nachnahmen, damit sie gut schlafen können. Komisch finde ich es schon.«
»Laß ihn doch«, sagte der fremde Junge. »Ich heiße Harry Eisin. Zufrieden, Mister?«
Ich antwortete nicht sofort, sondern dachte über den Namen nach. Auch Suko tat dies. Er hob als erster die Schultern, denn der Name sagte ihm nichts.
Auch mir war er noch nicht untergekommen, denn an ihn hätte ich mich sicherlich erinnert.
»Zufrieden?«
»Ja, Johnny.«
»Dann kann uns Suko jetzt…«
»Nein!« Harry unterbrach Johnny mitten im Satz. »Ich – ich will jetzt nicht mehr.«
Johnny trat einen Schritt zurück. Er war überrascht. »Warum willst du nicht mehr?«
»Weil die beiden so komisch gewesen sind.«
Johnny stand seinem neuen Freund bei. »Das finde ich auch, Onkel John. So habe ich dich noch nie erlebt. Ich weiß überhaupt nicht, was du hast. Ehrlich nicht.«
»Kann es nicht sein, daß ich meine Gründe habe?«
»Aber doch nicht gegen Harry.«
»Auch gegen ihn. Es ist alles zu deiner Sicherheit. In der letzten Zeit ist uns der Name Harry schon zu oft begegnet. Wir sind ein wenig allergisch geworden.«
»Doch nicht gegen ihn.«
»Das muß sich noch herausstellen.«
»Aber ihr kennt ihn doch gar nicht. Er – er ist zum ersten Mal in London. Und ich bin mit ihm gekommen.« Johnny verteidigte seinen Freund sehr emotional, das war auch gut so, wenn man sich für seine Freunde einsetzte, aber in diesem Fall wußten wir mehr als er.
»Johnny«, sagte ich. »Es ist natürlich schwer, und ich weiß nicht, wie ich es dir erklären soll, aber wir haben unsere Gründe, wenn wir so reagieren.«
»Was wollt ihr denn noch?« rief er laut. »Alles madig machen?«
»Ich glaube, wir gehen, Johnny.« Harry drehte sich schon ab, aber mein scharfer Ruf stoppte ihn.
»Einen Augenblick noch, mein Freund. Ich habe im Prinzip nichts gegen dich, ich möchte nur, daß du noch einige Minuten hier im Büro bleibst. Dann sehen wir weiter.«
»Was denn?«
»Ein kleiner Test, mehr nicht.«
Harry lief rot an. Die Härchen auf seinen Armen sträubten sich. Er stand unter Druck, die Wut kochte in ihm wie heißes Wasser. Sein Gesicht hatte sich verzerrt. Er sah so aus, als würde er sich gegen alles sträuben, was wir wollten.
»Das sehe ich überhaupt nicht ein!« keuchte er. »Ich bin doch hier nicht in einem Knast. Scheiß Bullen, verdammt.« Er wollte zur Tür, aber Suko war schneller.
Harry hatte die Klinke noch nicht berührt, als der Inspektor ihn packte und zurückschleuderte. »Du bleibst hier, mein Freund. Wenn nichts ist, werden wir uns entschuldigen.«
Johnny mischte sich ein. Er stand kurz davor, mich anzuspringen. »Was erlaubst du dir eigentlich? Er hat mir das Leben gerettet! Er ist mein Freund, verdammt!«
»Das bestreite ich nicht, Junge. Ich möchte nur etwas herausfinden, das ist alles.«
»Und was?«
Ich antwortete ihm nicht. Statt dessen holte ich mein Kreuz hervor, hielt es allerdings so, daß meine Hand den Talisman verdeckte.
Suko sicherte den Weg zur Tür ab. Harry bewegte sich, er huschte auf das Fenster zu, dem er den Rücken zudrehte, und er hatte allein Augen für mich.
Ich war sein Feind.
Und er war der meine!
Wir wußten es. Wir spürten es. Es war, als wäre zwischen uns etwas zerrissen und gleichzeitig etwas Neues entstanden. Eine gefährliche Verbindung, die etwas übermittelte, und zwar das Wissen des anderen vom anderen.
»Harry?«
Ich fragte ihn leise, ich lächelte dabei, ich streckte meinen rechten Arm vor, dessen Hand noch immer zur Faust geschlossen war. Vielleicht spürte er schon etwas, möglicherweise strömte die Kraft des Kreuzes durch meine Hand gegen ihn.
»Was ist denn?«
Ich konzentrierte mich auf seine Augen. Sie hatten sich verändert,
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