Huff, Tanya
Norden.
„Ich habe sie erst
dieses Wochenende kennengelernt", fuhr sie fort. Die Erfahrung hatte sie gelehrt,
daß direktes Vorgehen bei sachlichen Typen wie ihrem Gastgeber am besten
funktionierte. „Kennen Sie sie gut?"
Carls Mund wurde zu
einer dünnen weißen Linie, aber dann sagte er: „Als ich gerade hergezogen war,
vor zehn, elf Jahren, versuchte ich, ihre Bekanntschaft zu machen. Ich
versuchte, ein guter Nachbar zu sein. Sie waren nicht interessiert."
„Sie sind ziemlich
einsiedlerisch."
„Einsiedlerisch!"
Sein Lachen enthielt keine Spur von Humor. „Ich versuchte, meine
Christenpflicht zu tun. Wußten Sie, daß keines dieser Kinder getauft ist?"
Vicki schüttelte den
Kopf, aber ehe sie irgend etwas sagen konnte, fuhr er fort: „Ich versuchte,
diese Familie zu Gott zu bringen, und wissen Sie, was der Dank für meine
Fürsorge war? Man sagte mir, ich solle von ihrem Besitz verschwinden und
wegbleiben, wenn ich meinen Gott nicht zu Hause lassen könnte."
Sie hatten Glück, daß
Sie nicht gebissen wurden, dachte Vicki. „Ich wette, Sie waren ziemlich verärgert
darüber."
„Gott ist nichts, das
ich mit mir herumtrage wie eine Brieftasche", erklärte er trocken. „Er
ist Teil von allem, was ich tue. Es hat mich zornig gemacht... "
Zornig genug, um zu
töten? fragte
sie sich.
„... aber mein Zorn
war ein gerechter Zorn, und ich habe ihn zum Ruhme des Herrn hingegeben."
„Und was hat er damit
getan?"
Er wandte sich ihr
halb zu und lächelte. „Ihn in seinen Dienst gestellt."
Das konnte nun eine
ganze Reihe von Dingen bedeuten. Vicki starrte aus dem Fenster. Wie
bringt man das Thema auf Werwölfe? „Ihr Neffe erwähnte, Sie seien
Vogelkundler... "
„Wenn ich neben meinem
Garten Zeit erübrigen kann."
„Waren Sie je im
Naturschutzgebiet?"
„Gelegentlich."
„Ich habe einen
Vetter, der Vogelkundler ist." Sie hatte nichts dergleichen; es war eine
Lüge aus dem Lehrbuch für Verhörmethoden. „Er hat
mir erzählt, man könne
in den Wäldern alle möglichen faszinierenden Dinge sehen. Er sagt, das
Ungewöhnliche und Bizarre lauere hinter jeder Ecke."
„So? Dann muß er eine
interessante Liste haben."
„Was ist die
interessanteste Art, die Sie je identifiziert haben?"
Graue Augenbrauen
zogen sich zusammen. „Ich hatte mal eine Küstenseeschwalbe. Keine Ahnung, was
sie so weit nach Süden verschlagen hat. Ich habe für ihren sicheren Heimflug
gebetet, und da ich sie nur einmal gesehen habe, denke ich gern, meine Gebete
seien erhört worden."
„Eine
Küstenseeschwalbe?"
„Das", erklärte
er ihr, ohne den Blick von der Straße zu nehmen, „war genau die Reaktion aller,
denen ich es erzählt habe. Ich lüge nie, Ms. Nelson. Und ich gebe niemandem die
Gelegenheit, mich zweimal einen Lügner zu nennen."
Sie fühlte sich, als
habe er ihr gerade auf die Finger geklopft. „Tut mir leid." Nun, das
hat genau nichts gebracht.
„Das sieht hier nach
guten Jagdgründen aus", erwähnte sie beiläufig, während sie aus dem
Autofenster sah und Bäume, Felder und noch mehr Bäume und Felder vorüberziehen
sah. „Jagen Sie?"
„Nein." Die
einzelne Silbe enthielt soviel Ekel, solch intensive Gefühle, daß Vicki es
glauben mußte. „Gottes Geschöpfe zu töten ist ein Greuel."
Sie wandte sich zu ihm
um und fragte sich, wie er seine Ernährung erklären würde. „Sie essen kein
Fleisch?"
„Seit 1954 nicht
mehr."
„Oh." Punkt für
ihn. „Und Ihr Neffe?"
„In meinem Haus folgt
er meinen Regeln. Ich versuche nicht, den Rest seines Lebens zu
bestimmen."
Noch billigen Sie ihn, erkannte
Vicki. „Wohnt er schon lange bei Ihnen?"
„Nein." Dann
fügte er hinzu: „Er ist der Sohn meiner verstorbenen Schwester. Mein einziger
lebender Verwandter."
Was erklärt, warum Sie
ihn bei sich dulden. Sie spürte seine Mißbilligung, aber ob sie ihr oder Mark galt,
konnte sie nicht sagen. „Ich, äh, habe noch nie gejagt", erklärte sie in
dem Versuch, sich wieder in seine Gunst zu setzen. Technisch gesehen war das
wahr. Sie hatte nie etwas gejagt, das auf vier Beinen lief.
„Gut. Beten Sie?"
„Nicht soviel, wie ich
sollte."
Das entlockte ihm ein
Lächeln. „Wahrscheinlich nicht", nickte er und hielt am Ende des langen
Weges an, der zur Heerkens-Farm führte. „Wenn Sie mich bitte entschuldigen
würden, weiter kann ich Sie nicht bringen."
„Sie entschuldigen?
Sie haben mir einen langen, heißen Marsch erspart. Ich stehe in Ihrer
Schuld." Sie glitt aus dem Auto und beugte sich noch
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