Huff, Tanya
Chancen, daß Vicki Nelson
zufällig über das Labor und den Leichnam ihrer Mutter stolperte, äußerst schlecht. Um den
ei nen Raum zu finden, der immer noch in
Gebrauch war, würde sie zuerst einmal den Zugang zum alten Gebäude
entdecken und sich dann in den Fluren und
Korridoren zurechtfinden müssen, die sich wie bei einem Ka ninchenbau quer durch das einhundert Jahre alte
Bauwerk zogen. Oft genug waren in
der Vergangenheit selbst Studenten des ersten Semesters, denen man
detaillierte Lagepläne in die Hand gedrückt hatte, an diesen Fluren gescheitert.
Nein, Vicki Nelson würde den Leichnam ihrer
Mutter nicht finden können - trotzdem sah Dr. Burke sie nicht
gern in der naturwissenschaft lichen Fakultät herumhängen.
Warum zum Teufel fährt sie nicht einfach nach
Hause? Dr. Burke ließ sich in ihren Stuhl fallen und breitete den Stapel
Telefonnachrichten fächer förmig auf ihrem
Schreibtisch aus. Ohne ihr Herumschnüffeln hätte die Po lizei die ganze Sache längst schon zu den Akten
gelegt.
Wäre
doch nur der Sarg nicht geöffnet worden! Dann hätte niemand etwas geahnt.
Hätte Donald doch bloß nicht zugelassen, daß
Marjory Nelson das La bor verließ und nach Hause ging.
Hätte der Anblick ihrer wiederbelebten Mutter in Marjorys
Tochter doch nur nicht die Gewißheit geweckt, daß die Antwort
auf all ihre Fra gen an der Universität zu suchen sei.
Vicki Nelson war eine intelligente Frau. Das
war nicht etwa nur die Mei nung ihrer überaus stolzen Mutter
gewesen, dafür sprachen die Tatsachen. Und so würde Ms. Nelson
gewiß irgendwann einmal auf der Suche nach ih rer Mutter über
irgend etwas stolpern, was Dr. Burkes Stellung gefährden konnte.
Aber Dr. Burke hatte wahrlich nicht vor, dies zuzulassen.
Langsam stahl sich ein Lächeln auf die Lippen der
Leiterin der natur wissenschaftlichen Fakultät. Da war ihr durch unglaubliche
Umstände ein richtiger Vampir in die Hände
geraten und damit doch auch eine einfache Lösung auch dieses Problems! „Wenn
Ms. Nelson unbedingt ihre Mutter finden will", murmelte die
Wissenschaftlerin, die Nummer des Labors wählend, „dann sollte man ihr das
vielleicht auch gestatten!"
Erst nach dem dritten Klingeln nahm Catherine den Hörer
ab und fragte kurz angebunden. „Was ist denn, Dr. Burke?
Ich habe gerade sehr viel zu tun."
„Wie laufen die
Testreihen?"
„Nun, da ist
allerhand zu testen und ich ..."
„Hilft Donald denn nicht?"
„Nein, er..."
„Ist er heute
überhaupt schon aufgetaucht?"
„Na ja, nein, er ..."
„Ich
will seine Entschuldigungen gar nicht hören, Catherine. Ich be fasse mich später selbst mit ihm." Nicht zum
ersten Mal nahm Donald ungeplanten und nicht genehmigten Urlaub, und Dr.
Burke fand, es sei an der Zeit, dagegen
endlich einmal etwas zu unternehmen. „Und? Sind Sie heute nachmittag auf
irgend etwas gestoßen, was dagegen spräche, daß
wir einen Wirkstoff gegen AIDS entwickeln?"
„Nun, ich habe festgestellt, daß einige der
nonphagozytischen Leuko zyten auf zellularer Ebene eine Anzahl
besonderer Funktionen übernehmen. Unter Umständen ließe sich auf eben dieser
Basis ein solcher Impfstoff entwickeln." Catherine hielt einen Moment
lang inne und fuhr dann fort. „Wir würden aber Mr. Fitzroy nahezu
ausbluten müssen, um ein sol ches Serum gewinnen zu können, und sein Blutdruck ist
ohnehin schon schrecklich niedrig. Ich muß ja auch dauernd neue Proben
entnehmen, denn schon der kleinste
ultraviolette Lichtstrahl zerstört die Zellstruktur."
„Um Himmels Willen, Catherine, lassen Sie bloß kein
ultraviolettes Licht auf den Mann fallen! Verlorenes Blut können wir bei ihm
immer wieder ersetzen ..." - dieser
Gedanke führte bei Dr. Burke zu einer inter essanten, aber nicht unmittelbar relevanten Überlegung, der sie später weiter
nachgehen konnten, wenn Zeit dafür war - „aber wenn er seine Zellstruktur einbüßt, dann können wir ihn selbst
mit Ihren Bakterien nicht wieder aufbauen."
„Das ist mir
bewußt, Dr. Burke. Ich gehe sehr vorsichtig vor."
„Gut! Nun, da Mr. Fitzroy uns unter so glücklichen
Umständen in die Hände fiel, habe ich unsere Pläne ein wenig geändert. Wir
werden fol gendes
tun: Sie unterziehen die Nummern neun und zehn einer letzten, endgültigen Analyse - warum Versuchswerte
verschwenden, wenn wir sie doch
später vielleicht brauchen können -
dann terminieren Sie beide, bauen alle
Hardware aus, nehmen die üblichen Biopsien vor und schleusen dann beide durch die pathologische Abteilung
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