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Hundeleben

Titel: Hundeleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Zander
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weitere 22er dabei gehabt –   wer trägt schon mehr als eine 22er mit sich herum? –   und ich hätte auf dem mit Mikes Blut besudelten Lauf der Waffe herum kauen müssen. Mir wurde schlecht.
    Ich beglückwünschte mich, nichts gefunden zu haben. Der Mörder schien ungern teilen zu wollen. Bestimmt hätte er auch mit mir nicht geteilt. Schon gar nicht aus sozialen, moralischen, wirtschaftlichen oder gar ethischen Motiven. Dieser Mörder kannte nur eine Devise: Alles oder nichts. Und er handelte danach.
    Das Telefon klingelte. Falsche Zeit. Ich nahm den Hörer kurz ab, legte ihn wieder auf, nahm ihn wieder ab und ließ ihn neben dem Telefon liegen. Die Spinne war jetzt fertig und verlegte sich aufs Warten. Etwas wie Neid stieg in mir auf. Ich war noch dabei, Fäden zu ziehen. Ich wusste nicht, ob sie halten würden, falls irgendwas ins Netz gehen sollte. Ich wusste nur, dass ich es mit einem schießwütigen Typen zu tun hatte und dass die Fäden sehr dick sein mussten. Am besten so dick wie Stahltrosse einer Bohrinsel in der Karibik zur Hurrikansaison.
    Eins war klar, solange ich das Geld nicht hatte, würde mir nichts passieren. Aber ich wollte das Geld, aus sportlichen, vielleicht auch aus anderen Gründen.
    Nein, natürlich wollte ich das Geld nicht behalten, na ja, jedenfalls nicht die gesamten zwei Millionen, aber ich wollte den Erfolg. Mir zuliebe.
    Ich schaute noch einmal zur Spinne hinauf. Deren Taktik gefiel mir immer besser. Netz bauen, warten, zugreifen, aussaugen. Geduld ist die eigentliche Substanz der Evolution. Kein Wunder, dass es die Spinnen bis in die Jetztzeit geschafft hatten. Sie würden auch noch weitere Millionen Jahre auf die Jagd gehen. Wenn wir sie ließen. Letzteres allerdings war nicht ganz sicher.
    Sicher war nur, dass ich das Geld bald finden musste, bevor es in irgendeiner Geldwäscherei verschwand. Mir war nur nicht klar, wo ich es suchen sollte. Ich brauchte Hilfe. Vielleicht hatte ja Sylvia eine Idee.
    Ich nahm das Telefon und begann mit dem Tippen. Ich kam bis zur fünften Ziffer, dann fiel ein Schuss.
    Ich ließ das Telefon los. Es knallte auf die Schreibtischplatte, hüpfte von dort auf den Fußboden und rutschte weiter bis unter das Regal. Verdammtes Weichei, dachte ich. Wovor hast du Angst? Das Schussgeräusch kam von draußen. Hier drin ist es so friedlich wie auf einem Weihnachtsmarkt. Also reiß dich zusammen, Mann!
    Ich riss mich zusammen und ging auf die Suche nach der verlorenen Kommunikation, da fiel der zweite Schuss. Diesmal schlug die Kugel über mir ein. In die Bürodecke. Zuvor passierte sie die Fensterscheibe und ziemlich genau den Ort, an dem ich vor Sekunden noch versucht hatte, Sylvias Nummer einzutippen. Glück gehabt, oder was auch immer. Ich betrachtete den Einschuss genauer. Hatte da nicht soeben noch die Spinne gesessen? Das Netz war noch erkennbar. Dazu drei zuckende Spinnenbeine. Von den restlichen Teilen keine Spur. Kein Glück gehabt. Die Evolution lief nun ohne meine Spinne weiter. Schade für die Evolution.
    Ich bezog Stellung unter dem Schreibtisch und wartete auf den dritten Schuss. Nichts. Draußen blieb es still. Dafür knarrte im Treppenhaus eine Diele. Dann noch eine. Jemand kam die Stufen herauf.
    Es wurde ernst.
    Ich ließ das Telefon, wo es war und kroch unter dem Schreibtisch hervor. Ich setzte mich auf meinen Stuhl, legte die Füße auf den Tisch und öffnete die Schublade. Die rechte Hand platzierte ich auf dem Griff der 38er, die Linke parkte ich so, dass man deren Zittern nicht sehen konnte. Dann spitzte ich die Lippen und pfiff ein bisschen vor mich hin. Draußen knarrte die nächste Diele. Dann ging die Tür auf.
    Ich sagte: »Hereinspaziert, wer immer Sie auch sein mögen.«
    Meine Stimme klang wie eine versehentlich angeschlagene Triangel. Jedenfalls in meinen Ohren. Ich hoffte, dort, wo der andere stand, würde sie klingen wie ein Hammer, der auf einen Amboss trifft.
    »Ich bins «, kam die Mitteilung von draußen. »Ich hoffe, Sie erschießen mich nicht gleich, wenn ich um die Ecke komme.«
    »Nein«, sagte ich und nahm die 38er aus dem Schubfach. Ich fand, je näher meine Finger am Abzug lagen, desto besser. »Kommen Sie ruhig. Ich tue Ihnen nichts.«
    »Ich komme jetzt.«
    Beate, meine Nachbarin, trat ein. Ohne Begleitung. Hatte es ihren Hund erwischt? Lag Nietzsche jetzt auf dem Hof? Zerfetzt von einer Kugel? Ich verspürte keinerlei Trauer, im Gegenteil. War das normal? Ich dachte an Hannibal und seufzte.
    »Tut mir leid,

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