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Hunkelers zweiter Fall - Flattermann

Hunkelers zweiter Fall - Flattermann

Titel: Hunkelers zweiter Fall - Flattermann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansjörg Schneider
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drum herum. Holzgetäfelte Wände. Klares Licht, kein Schummer. In einer Ecke klopften vier Italiener eine Scopa, konzentriert wie Schachspieler, ein fünfter schaute zu. Hinter der Theke der Wirt, fett und kahl.
    Er sah sie sofort. Er setzte sich gleich rechts an den Tisch neben dem Eingang, mit dem Rücken zur Theke. Sie erkannte ihn erst, als sie sich über ihn beugte und fragte, was er wünsche. Sie erschrak.
    »Ein Bier bitte«, sagte er. Er schaute ihr aus den Augenwinkeln zu, wie sie an der Theke die Bestellung weitergab. Sie tat das, als wäre nichts geschehen. Nur einmal schaute sie kurz herüber.
    Als sie das Bier vor ihn hinstellte, sagte er leise: »Sie sind die Geliebte des Silvan Lerch, nicht wahr? Und Sie wissen, wo er sich befindet.«
    Ihr Gesicht wurde schneeweiß. »Wollen Sie, dass ich die Polizei rufe?«, fragte sie, fest und tapfer.
    Er senkte den Blick, hob das Glas an den Mund und trank. Kühler Schaum, kühler Gerstensaft, beruhigend, tröstend. Dann schaute er ihr in die Augen, die funkelten, vor Hass, vor Wut.
    »Sie haben ihm doch geholfen bei der Flucht, oder nicht? Von allein wäre er nicht über die Grenze gekommen. Kein Geld, kein Pass. Nichts als Hemd und Hose.«
    Sie schaute zum Wirt hinter der Theke hinüber, angstvoll. Zarte, rötliche Wimpern, ein Hauch von Sommersprossen auf der weißen Haut.
    »Woher wollen Sie wissen, dass er über die Grenze gegangen ist?«, flüsterte sie.
    »Begünstigung gemäß Artikel 305 S t GB . Das sieht nicht gut aus. Das gibt Gefängnis.«
    Sie drehte sich weg, mit schmalen Achseln. Er hätte sich erwürgen können, so fies war das. Er schaute ihr zu, wie sie sich drüben neben der Theke an die Wand lehnte, eine Zigarette herausklopfte und anzündete. Ein tiefer Zug, ein zweiter Zug, ein schneller Blick.
    »Denise!«, rief einer der Männer am Stammtisch, »ist das eigentlich eine Wirtschaft oder ein Wartsaal? Vier Bier!«
    Sie drückte die Zigarette aus und löste sich von der Wand. Wieder kam der kurze, scharfe Blick. Dann lächelte sie ihn an, überraschend hilflos, unglaublich charmant.
    Als er ihr das Geld für das Bier hinlegte, hielt sie die Hände gefaltet vor dem Bauch und wiegte den Oberkörper, ohne es zu merken, hin und her. Sie flüsterte: »Was wollen Sie?«
    »Er soll sich der Polizei stellen. Möglichst bald. Wenn er verhaftet wird, ist er wegen der Flucht schon verurteilt. Da hilft kein Anwalt mehr. Dann muss er für mehrere Jahre ins Zuchthaus.«
    Wieder das Wiegen, das seltsam regelmäßige, kaum wahrnehmbare.
    »Ich habe gedacht, Sie wollen Geld.«
    »Ich habe das Heft des Freddy Lerch«, sagte er.
    »Ach so.« Das Wiegen hörte auf, sie öffnete die Hände, strich sich übers Haar. »Also doch ein Einbrecher.«
    Er grinste müde. »Darin steht ein Satz«, sagte er, »der beweist, dass Freddy seinem Großneffen hat helfen wollen. Das würde Silvan entlasten, vor Gericht, meine ich.«
    Sie lächelte stolz, triumphierend. »Den findet niemand.«
    »Sind Sie sicher?«
    Sie zögerte. Aber dann nickte sie entschlossen. »Ja. Weil er einen neuen Namen hat. Eine neue Identität.«
    »Und woher hat er diesen neuen Pass?«
    Jetzt setzte das Wiegen wieder ein, träumerisch, als hörte sie von ferne Musik.
    »Er hat eben gute Freunde.«
    »Denise, wird’s bald?«, schrie der Mann drüben am Stammtisch. »Vier Bier, aber schnell!«
    Er ging hinaus, wütend, verzweifelt.
    Seine Wut wuchs, als er über die Johanniterbrücke ins Großbasel zurückfuhr. Eine Lappalie, nichts als eine Lappalie. Und am Anfang der Geschichte stand sogar noch eine gute Idee. Einen Luxuswagen nach Kuwait chauffieren und dort mit Gewinn verkaufen, warum nicht? Das zeugte immerhin von Unternehmungsgeist. Und der alte Freddy hätte ihm das Geld bestimmt nicht gegeben, wenn er von seinem Großneffen nicht überzeugt gewesen wäre. Der hatte doch immer auf den Rappen geschaut, weil er armer Leute Kind gewesen war und nicht unter die Räder hatte kommen wollen. Eine Spielernatur war der jedenfalls nicht gewesen, der hatte genau gerechnet.
    Also wäre alles gutgegangen, wenn der Schlingel nur besser aufgepasst hätte. Und er würde jetzt bei seiner Freundin Denise im Todtnauerhof sitzen und Pläne schmieden, gemeinsam mit dem alten Freddy, der seinen Einsatz längst zurückbekommen hätte. Zinslos, das war Ehrensache. Und Freddy hätte nicht jenen schrecklichen Satz über Hilfe und Schuld in sein Heft schreiben und nicht von der Brücke fallen müssen. Der junge Silvan mit

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