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Hunkelers zweiter Fall - Flattermann

Hunkelers zweiter Fall - Flattermann

Titel: Hunkelers zweiter Fall - Flattermann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansjörg Schneider
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dem Ring im Ohr hätte nie im Leben etwas mit Heroin zu tun gehabt, er wäre nie in den Lohnhof gekommen und hätte nie fliehen müssen, weil er den Knast nicht ertrug. Und er hätte sich keinen neuen Pass kaufen müssen.
    Eine neue Identität, ha! Was meinte diese schmale Lady denn? Keine Spur von Tuten und Blasen, nicht die Spur von Übersicht. Was war denn so ein Pass wert? Nichts, keinen Deut. Hatten sie ihm denn nicht die Fingerabdrücke genommen im Lohnhof oben, die lieben Kollegen, hatten sie ihn nicht erkennungsdienstlich behandelt? Pfui Teufel, aber sie hatten. Es war endgültig aus mit der Räuberromantik. Der Computer umfasste die ganze Welt, es gab keine Lücke. Selbst auf hoher See nicht. Und in diesem Computer war gespeichert, dass Silvan Lerch, entflohen aus Basler Untersuchungshaft und untergetaucht, vermutlich unter falschem Namen, ein gemeingefährlicher Rauschgifthändler sei.
    Und er selber, was war denn mit ihm los, mit Kommissär Peter Hunkeler, dem rheinschwimmenden Mittfünfziger und gelegentlichen Liebhaber einer recht eigenwilligen Mittfünfzigerin? War er selber nicht auch kriminell geworden? Er saß ganz schön in der Tinte. Metertief in der Scheiße. Wäre er bloß zu Hause geblieben an jenem heißen Morgen, hätte er nur diesen Flattermann nie gesehen. Der hatte ihn in Beschlag genommen, vom ersten Augenblick an, als er zwischen Brücke und Wasser in der Luft gehangen hatte. Dieses Bild hatte ihm die wohlverdiente Urlaubsruhe geraubt. Den Verstand hatte es ihm aus dem Kopf gesogen. Er hatte eingebrochen und gestohlen, hatte wichtiges Beweismaterial hinterzogen, hatte eindeutig gelogen. Er hatte sich darangemacht, eine Untersuchung auf privater Basis zu führen, ohne seine Vorgesetzten zu informieren. Selbstjustiz war das, nichts anderes. Und wenn das auskam, konnte es ihn Kopf und Kragen kosten.
    Die Folgen waren fatal. Wäre denn der junge Silvan geflüchtet, wenn dem Staatsanwalt Suter das blaue Heft vorgelegen hätte, worin stand, dass sich schuldig mache, wer helfen wolle? Nein, er wäre nicht geflüchtet, denn Madörin, der ihn ja mochte, hätte ihm gesagt, dass wahrscheinlich eine Bewährung möglich sein würde, da ja das Geld für den Luxuswagen offensichtlich vom Großonkel geborgt und folglich auf legale Art erworben worden sei, und da er, Silvan, in Istanbul ja tatsächlich tief in der Patsche gesessen sei und vermutlich tatsächlich nicht gewusst habe, was im Koffer gesteckt habe.
    Denn, sehr geehrte Damen und Herren Strafrichter, so hätte der Verteidiger plädiert, ist nicht schon die Tatsache, dass mein Mandant einen Wagen der Luxusklasse nach Kuwait fahren und dort verhökern wollte, ein Beweis für seine abenteuerliche, ganz und gar nicht kriminelle, sondern kindlich reine Naivität, da ja in einschlägigen Kreisen allgemein bekannt ist, dass solche Wagen in den ehemaligen Oststaaten, wo die Fäden des internationalen Handels mit gestohlenen Autos zusammenlaufen, billigst zu haben sind? Wer würde da noch auf einen Schweizer Knaben warten und ihm den doppelten Preis bezahlen? Und ist nicht der Selbstmord seines Großonkels, der sich ja bedauerlicherweise im Rhein ertränkt hat, ebenfalls ein Beweis für die Lauterkeit meines Mandanten? Dieser alte Herr, ein bestandener Seemann, hat diese 50 000 Franken, und davon sind wir tief überzeugt, obschon es der Mandant noch immer abstreitet, dem jungen Silvan nur geborgt, weil er an seine Lauterkeit geglaubt hat. Oder wollen Sie, meine Damen und Herren Strafrichter, diesen Selbstmord nachträglich desavouieren, indem Sie meinen Mandanten schuldig sprechen und einsperren? Das darf doch nicht sein.
    Kunstpause, ein Räuspern im Saal, das Gericht ist ergriffen.
    Nun zum Koffer, zu den drei Kilogramm Heroin. Glaubt wirklich jemand, mein Mandant sei mit Absicht zum Dealer geworden? Er habe sich bewusst kriminalisiert, mit seinem lauteren Herzen? Davon kann doch keine Rede sein. Und überdies müssten Sie das erst noch beweisen, Herr Staatsanwalt!
    Hier brach Hunkeler seine Verteidigungsrede ab, er hatte genug gesagt. Er hatte die Nase voll. Selbstverständlich war das alles so gewesen. Und ebenso selbstverständlich passierten solche Geschichten jeden Tag. Aber da man an die schwerreichen, mächtigen Drahtzieher nicht herankam, sperrte man eben die kleinen Kuriere ein, auch wenn sie beteuerten, nichts von ihrer Fracht gewusst zu haben.
    Diesmal hätte die Bewährung geklappt, da war Hunkeler sicher. Wenn es überhaupt zum Prozess

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