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Hurra wir kapitulieren!

Hurra wir kapitulieren!

Titel: Hurra wir kapitulieren! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk M. Broder
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Tag, nachdem die Zustände an der Rütli-Schule bekannt wurden, gaben acht Berliner Hauptschulleiter eine Erklärung ab, in der es unter anderem hieß: »Die Situation an den Berliner Hauptschulen ist geprägt von Hoffnungslosigkeit desillusionierter, gewaltbereiter Jugendlicher, die nicht nur Schüler attackieren, sondern streckenweise keinen geordneten Unterricht ermöglichen.«
    Auch aus anderen, bislang als friedlich eingeschätzten Regionen der Republik kamen Alarmmeldungen. In Rheinland-Pfalz würden an 66 Prozent aller Schulen Sozialarbeiter eingesetzt, Dortmunder Lehrer suchten vergeblich nach Alternativen gegen das »Gesetz der Faust« und lokalisierten das Problem in den Familien, die ihre Kinder nicht dazu erziehen, »Konflikte ohne Gewalt zu lösen«. In einem Bericht aus einer Hamburger Schule (»Es zählt die Gang«) sagten Emin, Okan und Bülent Sätze, wie sie Neda Kelek bei ihren Interviews immer wieder gehört hat: »Unsere Väter haben uns eingeflößt, wie man sich als echter Mann behaupten muss, in unserer Kultur ist das so. Wer uns schief kommt, wer uns nicht genügend Respekt erweist, der bekommt die Quittung.« Im ZDF-Journal richtete eine Kopftuch tragende Schülerin eine Warnung an die Deutschen: »Ohne uns seid ihr nichts!«
    Wie die Sache mit dem Respekt und der Quittung auch außerhalb der sozialen Brennpunkte funktioniert, erlebten die Lehrer einer Hauptschule in Berlin-Charlottenburg, einem so genannten »guten« Viertel. Zehn bis fünfzehn »mutmaßlich arabische Männer mit Messern und Totschlägern« stürmten eine zehnte Klasse, um einen schwarzen Schüler zur Rechenschaft zu ziehen. Dem Lehrer gelang es rechtzeitig, den Schüler in einem Nebenraum einzuschließen, worauf sich das Überfallkommando einen anderen Schüler schwarzer Haufarbe griff und ihn verprügelte. Der Lehrer, der diese Geschichte dem »Tagesspiegel« erzählte, bestand darauf, nicht mit Namen genannt zu werden. Auch von diesem Vorfall hatte der Schulsenator nichts erfahren.
    Ein anderer Fall machte die Grenzen der Polizeigewalt deutlich. Ein 15 -jähriger deutscher Schüler wurde eine Woche lang von der Polizei zur Schule begleitet, nachdem er von einem 13 -jährigen arabischen Mitschüler bedroht und von dessen Clique verprügelt worden war. Die Täter, berichtete der »Tagesspiegel«, gehörten einer bekannten arabischen Gang an, »die seit Jahren den Kiez terrorisierte«. Warum die Polizei den deutschen Schüler auf dem Schulweg schützte, statt die seit Jahren ihr Unwesen treibende Gang von der Straße zu holen, blieb ungeklärt. In Kreuzberg kann es vorkommen, dass Polizisten, die einen Jugendlichen mit »Migrationshintergrund« festnehmen wollen, sich zuallererst mit seiner Gang rumschlagen müssen, die die Festnahme verhindern will.
    Alles in allem wurden im Jahre 2005 genau 849 Fälle von Gewalt an Berliner Schulen gemeldet, wobei nicht alle so spektakulär wie die in Neukölln und Charlottenburg waren. 2006 dürften es nicht weniger werden.
    Über die Frage, wie man das Problem wieder in den Griff bekommen könnte, kommt es zu einem permanenten Wettbewerb der Ideen. Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann will gewalttätige Computer- und Videospiele verbieten. Er traue der Selbstkontrolle der Hersteller nicht, so der CDU-Politiker. Und er könne den wissenschaftlichen Streit darüber, ob die so genannten »Killerspiele« langfristige Auswirkungen auf das Verhalten von Jugendlichen haben, nicht nachvollziehen.
    Der brandenburgische Innenminister Jörg Schönbohm schlug die Einführung einer »Schnupperknast«-Regelung vor. Gewalttätige Schüler sollten der Schule verwiesen und für einige Tage in Jugendarrest genommen werden. Die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth sprach sich für »verbindliche Elternkurse« aus, »auch für deutsche Familien«. Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller wollte diejenigen Migranten, die sich weigerten, an »Integrationskursen« teilzunehmen, bestrafen lassen.
    So lief die Diskussion in den eingefahrenen Bahnen: Mehr Staat, mehr Geld, mehr Sozialarbeiter, mehr Anreize, mehr Gebote und Verbote, mehr Fordern und Fördern, mehr Verständnis, mehr Dialog, Hauptsache mehr. Bis der »Tagesspiegel« Mitte Mai mit einer überraschenden Geschichte erschien: »Ausländer bevorzugen Schulen ohne Ausländer«. Unter den türkischen Migranten gebe es »immer mehr bildungsbewusste, die auch vor einem kostspieligen und schwierigen Umzug nicht

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