Hype: Thriller (German Edition)
genauso aus wie früher, wie eine Kulisse aus einer Filmstadt. Weinrote winzige Plüschsitze, Edelholz und Warnschilder aus Blech unter jedem Fenster mit anachronistischen Texten à la: »Bitte nicht aus dem Fenster lehnen«. Es wirkte wie in einem Film aus den Fünfzigern.
Er stieg eine Station vor seinem Ziel aus dem Zug, zündete sich eine Zigarette an und lief den Rest des Weges zu Fuß. Stille Villenviertel, in denen der Schneefall alle Geräusche dämpfte. Kerzenständer, Adventskränze oder Fernsehbildschirme warfen ihr Licht bis auf die Straße.
Ihr Haus lag ganz am Ende einer Sackgasse, und er überprüfte sicherheitshalber die in der Straße geparkten Wagen. Nur zwei davon waren nahezu frei von Schnee, was bedeutete, dass sie vor weniger als einer halben Stunde dort abgestellt worden waren. Beide waren leer.
Die übrigen Autos waren so eingeschneit, dass sie mindestens seit einem Tag dort standen, und wenn jemand darin auf Beobachtungsposten saß, war er inzwischen so gefroren, dass er von seiner Umgebung nichts mehr mitbekam.
Zur Sicherheit nahm er einen Umweg, wählte die nächste Parallelstraße und rutschte dann mehr als er ging über den schlecht gestreuten Fahrradweg, der die beiden hinteren Teile der Straßen verband, um sich schließlich ihrem Haus zu nähern.
Flackerndes Kerzenlicht in zwei Fenstern verriet, dass sie zu Hause war. Er warf einen letzten Blick die finstere Straße hinunter.
Alles schien ruhig zu sein.
Dann klingelte er. Er hörte Schritte im Flur näher kommen und sah einen dunklen Schatten hinter dem matten Glas. Dann rasselte ein Schloss.
»Ich habe dich schon erwartet …«, sagte sie und lächelte.
ZWEIUNDDREISSIG
Do not feed the Troll!
Forum der Säulen der Gesellschaft
Beitrag gepostet am: 23. Dezember, 19:11
Von: MayBey
Ich habe gefunden, was ich suchte.
Einen nutzlosen kleinen Scheißer, einen Gesellschaftsparasiten, auf den wir gut verzichten können.
Nennen wir ihn Henrik …
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Der Dreckskerl gab also keine Ruhe?
Entweder hatte Tobias ihm nichts von ihrem Treffen erzählt, oder aber Peter Gladh war keiner, der Warnungen ernst nahm. Vielleicht hing es davon ab, von dem die Warnung kam?
Innerhalb weniger Minuten richtete sie ein Benutzerkonto ein und schrieb daraufhin einen kurzen Satz, überprüfte ihn zweimal auf Rechtschreibfehler und drückte dann auf senden.
Diese Botschaft kapierte der Idiot hoffentlich!
Lass endlich gut sein, MayBey – ich weiß, wer du bist, und wenn du nicht aufhörst, komme ich mal bei dir vorbei!
Gruß Regina Rechtens
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Merkwürdigerweise hatte sie ihn einfach hereingelassen, ohne ihm Fragen zu stellen. Hatte ihm Tee angeboten und ihn auf das Sofa dirigiert.
Das Haus war ein gewöhnlicher Siebzigerjahre-Bau, die Einrichtung hingegen ziemlich seltsam. Weiß und grelles Eitempera, dazu farblich angepasste abstrakte Gemälde, die teils an den Wänden hingen, teils auf dem Boden standen. Und über all dem schwebte ein leichter Duft von Leinöl und Räucherstäbchen. Das Haus verströmte eine Aura von Instant Mindfulness, überall hingen Klangspiele und Mobiles, und die Deckenfluter tauchten die Räume in ein gedämpftes Licht. Fehlte nur noch ein Mixtape mit Walgesängen. Helmut Lotti interpretiert Moby Dick.
»Du fragst dich, warum ich nicht überraschter bin«, sagte Monika Gregerson, als sie mit einem kleinen Holztablett zurückkam, auf das sie zwei Teetassen und einen Teller mit Keksen gestellt hatte.
»Mm …«
Er blies auf den Tee und musste die Tasse gleich wieder absetzen, um sich nicht die Finger zu verbrennen. Henkellose Tassen, sicher ganz nach Feng-Shui, aber eher unpraktisch, wenn man nicht unbedingt masochistisch veranlagt war.
»Du hast etwas Besonderes an dir, das habe ich schon gemerkt, als ich dich zum ersten Mal in der Firma gesehen habe. Deine Aura ist anders, stärker. Als ob du aus einem besonderen Grund dort wärst …«
Sie wedelte abwehrend mit der Hand.
»Nein, nein, du musst jetzt nicht aus Höflichkeit so tun, als hieltest du mich nicht für verrückt. Alles um uns herum besteht aus Energie – dieses Zitat stammt nicht von mir, sondern von Einstein. Dennoch scheinen wir in der westlichen Welt nur sehr schwer akzeptieren zu können, wie diese Energien uns beeinflussen. Und wie wir selbst Personen in unserer Nähe beeinflussen. Ich kann mir gut denken, was jetzt in dir vorgeht, deshalb schlage ich vor, dass wir das ganze Gerede überspringen und
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