Hype: Thriller (German Edition)
hatte sich in dieser Woche schon einen freien Abend erschwindelt.
Außerdem hatte er Abendessen gekocht.
»Ach, stimmt. Vorhin hat jemand für dich angerufen. Sie meinte, ihr wärt Kolleginnen.«
»Nina Brandt?«, murmelte Rebecca, während sie zwei Teller auf den Tisch stellte.
»Nein, so hieß sie nicht. Warte, ich hab’s auf den Block neben dem Telefon notiert.« Gleich darauf rief er aus dem Flur: »Karolina war das, Karolina Modin. Offenbar hat sie versucht, dich auf dem Handy zu erreichen, aber das war ausgeschaltet. Sie meinte, sie müsse mir dir über etwas reden, wollte aber nicht sagen, worüber. Es schien jedenfalls wichtig zu sein …«
*
Außer seinem Handgepäckskoffer hatte er nur zwei Dinge. Ein Blanko-Flugticket und ein Papier, das er von Moussad bekommen hatte. LOC – Letter of Cessation. Offenbar sollte er das bei der Passkontrolle in Arlanda vorzeigen. Selbst wenn das Spiel entgegen aller Vermutungen mit seinem Wüstenabenteuer nichts zu tun hatte, würden sie ihn in dem Moment erwischen, in dem seine Personenkennziffer in das Computersystem der Polizei eingegeben würde.
Die Fortsetzung war nicht schwer zu erraten …
Wenn er auch nur die geringste Chance haben wollte, davonzukommen, musste er ins Land gelangen, ohne auf dem Radarschirm des Spiels zu landen.
Eigentlich war es einfacher, als es klang. Filmstunts wie sich auf der Toilette zu verstecken, auf das Landegestell hinauszukriechen oder über die Startbahn zu fetzen konnte man getrost vergessen. Was er brauchte, war ein Pass – ein kleines rotes Heft mit einem Foto, das ihm irgendwie im Entferntesten ähnlich sah.
Ungefähr wie das Ding, das aus der hinteren Hosentasche des Typen drei Reihen vor ihm herausragte …
Er sprang mehrere Sekunden, bevor das Flugzeug am Gate hielt und der Pilot das Zeichen für den Sicherheitsgurt ausgeschaltet hatte, von seinem Sitz auf. Hastig riss er seinen Koffer aus dem Handgepäcksfach und manövrierte sich ganz nah an sein Opfer heran, den Koffer in der richtigen Höhe, um seine Aktivitäten zu verbergen. Wie er gehofft hatte, war der Mann voll und ganz mit seinem Handy beschäftigt. Sieben Stunden ohne soziale Medien waren eine lange Zeit für iDeppen …
Ein hübsches Schultertackling mitten im Statusupdate, und so wurde aus @Arlanda plötzlich @irgendwo auf dem Boden zwischen den Sitzen …
Kaum beugte sich der Mann nach unten, um seinen fallen gelassenen Augenstern zu retten, schnappte HP sich den Pass aus der Hosentasche und steuerte schnurstracks auf den Ausgang zu.
Ein paar Augenblicke später war er draußen auf der Jetway-Brücke und auf dem Weg zum Ankunftsterminal.
Lars Tommy Gunke hieß er nunmehr, geboren in Linköping, laut Pass. Er wiederholte den Namen innerlich ein paarmal, während er in raschen Schritten auf die Passkontrolle zulief.
Lasse – Lasse Gunke hier, hallo!
Er warf einen raschen Blick auf eine der Wanduhren. Drei, vier Minuten hatte er, vielleicht sogar fünf. Das müsste reichen!
Zwei kräftige Polizisten in dunklen Uniformen standen neben den Passkontrollhäuschen. Die Männer wirkten gelangweilt, aber ein kleines LOC-Formular und eine Person ohne Pass würde ihren Vormittag bestimmt retten.
HP steuerte auf die kürzere Warteschlange zu und versuchte, unschuldig auszusehen.
Er schaute erneut auf die Uhr.
Zwei Minuten waren bereits verstrichen, und wie immer hatte er natürlich die falsche Schlange gewählt. Die Reihe nebenan segelte vorbei, während er selbst nicht vom Fleck kam. Und jetzt war es zu spät zum Wechseln, er stand zwischen Metallgeländern, und hinter ihm kamen immer wieder Reisende nach.
Warum, zum Teufel, dauerte das so lange?
Scheinbar hatte die Alte ganz vorn irgendeinen Ärger mit ihrem Pass, er konnte sehen, wie sie mit den Armen fuchtelte, als wollte sie etwas erklären.
Vorsichtig lugte er über die Schulter. Alles war voller Leute hinter ihm, aber noch keine Spur zu sehen von dem richtigen Lasse G.
*
»Hallo Rebecca, entschuldige die Verspätung. Ich hole mir nur noch schnell einen Kaffee, soll ich dir auch noch eine Tasse bringen?«
»Gern …«
Rebecca sah Karolina Modin nach, die mit den Kaffeetassen zur Kasse marschierte.
Modin war mit ihren fünfundzwanzig Jahren die Jüngste in der Gruppe und damit ein ganzes Jahrzehnt jünger als Rebecca selbst. Durch ihr jungenhaftes Aussehen und die kurze Struw welpeter-Frisur sah sie noch jünger aus, als sie eigentlich war, was definitiv kein Vorteil war, wenn man sich seine
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