Hype: Thriller (German Edition)
Anbetracht der Umstände. Anstatt nur allgemeine Fragen über die Personen auf dem Fernsehbildschirm zu stellen und zu versuchen, ihm ein paar Details zu entlocken, hatte sie sofort Henriks Namen verraten und dass er ihr kleiner Bruder war. John hatte keinen Ton gesagt und kaum eine Miene verzogen, nachdem sie ihn hatte aufstehen lassen, und er hatte geschwiegen, bis die Wohnungstür hinter ihr ins Schloss gefallen war. Trotzdem hatte sie etwas registriert, als sie Henriks Namen ausgesprochen hatte; für einen Mikroaugenblick war ein Ausdruck über sein Gesicht gehuscht, den sein Gehirn nicht hatte unterdrücken können. Verwunderung, Wut und noch etwas sehr viel Unangenehmeres.
Der Ausdruck war sofort wieder verflogen, aber sie hatte begriffen.
Vor etwa einer halben Stunde hatte ein dunkler Mercedes vor dem Haus gehalten, und ein hoch aufgeschossener Mann war ausgestiegen. Er hatte ein paar Dinge aus dem Kofferraum geholt und war im Haus verschwunden, bevor sie ihn sich genauer ansehen konnte.
Etwas an der Haltung des Mannes und seine verkniffenen Bewegungen hatten sie schließlich überzeugt: Henrik war in diesem Gebäude, und damit nicht genug, er war in Gefahr.
Und das war mit aller Wahrscheinlichkeit ihre Schuld.
*
Der erste Stoß war gar nicht so schlimm, wie er befürchtet hatte. Ein plötzlicher stechender Schmerz, bei dem sich seine Oberschenkelmuskeln ein paar Sekunden lang verkrampften. Dann war es vorbei. Elroy hatte knapp über seinen Knien angefangen. Ihm einen kleinen Schreckschuss verpasst, damit ihm der Ernst der Lage klar wurde, was eigentlich völlig unnötig war. Er hatte es bereits begriffen. Der nächste Schlag würde weiter oben erfolgen …
Wie zum Henker hatten sie seine Maskerade durchschaut? Seine wahre Identität herausgefunden. Wer hatte geplaudert?
»Nun, Henrik. Elroy und ich wüssten sehr gern, was jemand wie du in unserer Firma macht, und noch dazu ausgerechnet jetzt?«
HP öffnete den Mund, aber Philip war noch nicht fertig.
»Du hast mich wirklich enttäuscht, das muss ich zugeben. Wir hatten große Erwartungen in dich gesetzt, Henrik.«
Aus irgendeinem Grund tat Philips Ton fast so weh wie der Stromschlag, den er soeben in den Oberschenkel bekommen hatte, und erneut war er kurz davor, loszuheulen.
»Also, es war keine …«
PENG!
Noch ein Stoß, diesmal in der Mitte des Oberschenkels. Die Muskeln in seinem Bauch und seiner Leistengegend zogen sich zu einer schmerzenden Kugel zusammen, und er stöhnte laut.
Scheiße!
Als er die Augen öffnete, hing Elroys grinsendes Gesicht vor ihm. Diese Kerle meinten es wirklich ernst. Aber komischerweise hatte ihn viel weniger die Furcht gepackt, er fühlte vielmehr …
Trauer?
Als würde es ihn traurig machen, Philip enttäuscht zu haben?!
Wie bescheuert!
»Ich habe mich offenbar nicht klar genug ausgedrückt, Henrik. Du redest, wenn ich dir die Erlaubnis erteile, ist das klar?«
HP nickte.
»Schön! Wie du siehst, wissen wir jetzt alles über dich. Du hast ja, gelinde gesagt, einen gewissen Ruf.«
Philip bedachte ihn mit einem langen Blick, und HP biss sich auf die Zunge, um nicht zu antworten. Er hatte nicht vor, Elroy diese Genugtuung noch einmal zu gönnen. Der Typ wirkte beinahe enttäuscht, wie er so über seine Beine gebeugt dastand, ein Startkabel in jeder Hand.
»Wie du vielleicht weißt, macht unsere Firma eine sehr heikle Phase durch«, fuhr Philip fort. »Derzeit passiert vieles, was für unsere Zukunft wichtig ist. Es gibt Kräfte dort draußen, Henrik, die uns aufhalten wollen, und das würde am besten gelingen, indem man jemanden wie dich schickt. Eine hochintelligente, skrupellose Person, die bereit ist, was auch immer zu tun, solange es ihren eigenen Interessen dient, begreifst du, was ich meine?«
HP nickte wieder.
»Gut, wir scheinen uns zu verstehen …«
Philip wirkte zufrieden, und seltsamerweise machte HP das fast ein wenig froh.
»Damit wären wir zurück bei meiner ursprünglichen Frage: Wer hat dich geschickt, um uns zu infiltrieren, und was genau sind deine Aufgaben?«
*
Was zur Hölle trieb Henrik hier?
Seit wann war er wieder in Schweden, und warum hatte er sich nicht bei ihr gemeldet?
Wer war dieser rätselhafte John eigentlich, und was verband ihn mit ihrem unglückseligen kleinen Bruder?
Das Piepsen ihres Telefons unterbrach die Gedankenspirale in ihrem Kopf.
Scheiße, warst du gestern aufgetakelt. Neuer Freund oder was? Weiß das denn dein alter?
Ihr Puls beschleunigte sich, und
Weitere Kostenlose Bücher