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leiden-den Vampir zu helfen, aber der Drang, ihn zu berühren, war überwältigend.
Shay schaffte es tatsächlich, den Kopf vom Teppich zu heben, als plötzlich ein Schatten über sie fiel. Sie erstarrte erschrocken.
Das düstere Übel, das in der Luft brodelte, war unver-wechselbar, ebenso wie das Gefühl von Ekel, das auf ihrer Haut prickelte.
Es war dasselbe Übel, das sie im Auktionshaus gespürt hatte, und dann wieder, als Styx und seine Raben sie durch die Straßen von Chicago gejagt hatten.
Der Anasso.
Es konnte niemand anders sein.
Shay drehte langsam den Kopf und konnte ein entsetztes Keuchen nicht unterdrücken, als sie das hagere, schwer ge-zeichnete Gesicht erkannte, das direkt über ihr schwebte.
Der Mann ähnelte mehr einem Statisten aus einem schlechten Horrorfilm, als dass er wie der mächtigste Vampir auf Erden gewirkt hätte. Allerdings täuschte das Aussehen oft und Shay war nicht dumm genug, den Dämon zu unter schätzen, der ihr so viel Schmerz verursacht hatte, dass sie sich den Tod gewünscht hatte.
Shay wappnete sich gegen den unvermeidlichen Angriff, war aber nicht darauf gefasst, dass er sich langsam neben sie kniete und ihre Wange mit sanfter Hand berührte.
»Meine Shalott.« Seine Stimme war leise und rau, aber in ihr lag eine Macht, die zweifellos imstande war, Dämonen und Menschen gleichermaßen zu fesseln. »Ich wusste, das du zu mir kommen würdest.«
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Shay ignorierte den Drang, dieser Stimme zu verfallen, und holte tief Luft.
»Was habt Ihr Viper angetan?«
Ein Ausdruck tiefster Sorge bildete sich auf dem kno-chendürren Gesicht, aber er entsprach in keiner Weise dem hektischen Funkeln in den dunklen Augen.
»Ich hatte keine andere Wahl. Er weigerte sich zu verstehen.«
»Was zu verstehen?«
»Dass ich überleben muss. Dass die Vampire sich ohne mich, wieder in Wilde verwandeln werden.« Seine Vampirzähne glitzerten im Licht der Flammen. »Ich bin der Anasso.
Ich muss ewig bestehen.«
»Ganz egal, wie viele Eures eigenen Volkes Ihr töten müsst?«
Seine Finger schlossen sich fester um ihr Gesicht und sorgten dafür, dass sie vor Schmerz zusammenzuckte. »Ich bin über alle erhaben.«
Wut loderte in Shay auf. Dieser Vampir hatte ihr bereits ihren Vater genommen, und jetzt bedrohte er den Mann, den sie liebte. Und all das aufgrund eines wahnhaften Glaubens an seine eigene ruhmreiche Legende.
»Ihr seid doch völlig wahnsinnig«, zischte sie.
Er zog ihr Gesicht mit einem heftigen Ruck zu sich. Sie war ihm so nahe, dass sie spüren konnte, wie sein fauliger Atem über ihre Haut strich.
»So halsstarrig, genau wie dein Vater.«
»Du Hund.« Obwohl sie wusste, dass es zwecklos war, wehrte sie sich gegen seinen Griff. »Du hast meinen Vater getötet.«
»Er erfüllte sein Lebensziel, meine Liebe. Sein Blut war als Geschenk für mich gedacht. Das Geschenk der Heilung.
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Und nun wird dir zugebilligt, dein eigenes Schicksal zu er-füllen.«
Sie umklammerte sein dünnes Handgelenk und drückte mit aller Kraft zu.
»Mein einziges Schicksal ist es, dir beim Sterben zu zusehen.«
Er lachte über ihre schwache Drohung. »Wohl kaum.«
»Tatsächlich hat die reizende Dame teilweise recht«, meinte eine neue Stimme hinter dem drohend aufragenden Vampir gedehnt. »Ihr werdet sterben, alter Meister, und sie wird dabei zugegen sein. Unglücklicherweise bin ich allerdings nicht sicher, ob sie lange genug überleben wird, um danach noch viel von ihrem Schicksal zu haben.«
Shay wurde so abrupt losgelassen, dass sie fast auf ihr Gesicht gefallen wäre. Sie fing sich mit den Händen ab und beobachtete, wie der Vampir aufstand und sich der nahe gelegenen Türöffnung zuwandte.
Shay, die nun auf dem Boden kauerte, widerstand dem Drang, vor Angst den Kopf einzuziehen und sich ganz klein zu machen. Stattdessen zwang sie sich selbst, der neuesten Bedrohung ins Gesicht zu sehen.
Sie erschrak beim Anblick des großen, goldhaarigen Dä-
mons, der in der Türöffnung stand.
Ein Kobold?
Was zum Teufel tat ein Kobold in einer Vampirhöhle?
Und was noch wichtiger war, was befand sich am Ende der Kette, die in der Dunkelheit des Tunnels hinter ihm verschwand?
Der Anasso, der eindeutig nicht glücklich darüber war, so kurz vor seiner Mahlzeit gestört zu werden, fauchte leise.
»Damocles. Ich habe nicht nach dir gerufen.«
»Ja, das weiß ich, und ich muss sagen, dass ich äußerst ver-421
letzt bin.« Der Kobold warf seine goldenen Locken in den Nacken. »Wie könnt
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