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Icarus

Icarus

Titel: Icarus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Russell Andrews
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sie Bescheid wußte … ihre Vergangenheit kannte … hatte er noch lange nicht das Recht, zu tun, was er getan hatte. Nichts gab ihm dieses Recht.
    Sie spürte, wie sie wieder wütend wurde.
    Dann hielt sie inne. Vielleicht war es gar nicht nötig, wütend zu werden. Vielleicht war es auch gar nicht nötig, Angst zu haben. Kid war jetzt tot.
    Daher war vielleicht alles vorbei.
    Vielleicht war dies das Ende.
    Sie hoffte es.
    D ER I RRTUM
    Wie konnte er tot sein? Das war unmöglich. Unmöglich.
    Sie hatten den Rest ihres Lebens zusammen verbringen wollen.
    Sie hatten einander lieben und helfen und für immer zusammen sein wollen.
    Kid war einfach zu gut, um zu leben, das war es. Zu gut und zu attraktiv und zu rein. Er war nicht perfekt, o nein, er hatte einige Fehler gemacht. Dieser Abend auf der Party, Kid hatte gesagt, das wäre ein Fehler gewesen. Aber das war es nicht. Nein, nein, nein. Es war alles andere als ein Fehler. Es war perfekt. Perfekt und wunderbar … und …
    Vorbei.
    Es würde nie mehr geschehen. Keine perfekten Momente mehr. Keine Liebe mehr.
    So war es doch immer, nicht wahr? Die Menschen waren neidisch, nicht wahr? Die Menschen waren einsam und traurig und verletzt. Die Menschen wollten immer nur Liebe zerstören, oder?
    Ja, das wollten sie.
    Aber diesmal würde es ihnen leid tun.
    Diesmal würde es ihnen wirklich leid tun.
    Genauso wie Kid. Armer, armer Kid. Er war tot. Und auch keine Liebe mehr für Kid. Keine Vollkommenheit.
    Keine weiteren Fehler mehr.
    D IE E RFÜLLUNG
    Einer war für sie so gut wie tot, und jetzt war der andere
    wirklich tot.
    Warum war sie dann nicht deprimierter?
    Vielleicht, weil an alldem irgend etwas unendlich fair war. So verdammt symmetrisch.
    Was man sät, muß man auch ernten. In dieser Regel lag etwas Tröstliches, nicht wahr? Wer anderen Schmerzen zufügt, soll selbst Schmerzen erleiden.
    Das war der Weg Gottes, nicht wahr?
    Oder vielleicht der des Teufels.
    Egal, welcher.
    Es kam ihr zugute.

Dreiunddreißig
    Jack wußte, daß er seine Übungen absolvieren sollte, daß er das Laufband benutzen und Gewichte heben und Dehnübungen machen sollte, aber dies war schon der dritte Tag, ohne daß er den Fitnessraum auch nur betreten hatte. Allmählich fühlte er sich steif, seine Hüfte schmerzte ein wenig, aber er war noch nicht bereit, zu diesem Ritual zurückzukehren. Es erschien irgendwie respektlos, die Geräte ohne Kids Anweisungen zu benutzen. Vielleicht war es nur eine Entschuldigung. Vielleicht war er nur faul oder müde, oder vielleicht war ihm auch alles einfach gleichgültig. Egal, er hatte keine Lust, sich anzustrengen, also tat er es auch nicht.
    Er hatte an diesem Tag seine Wohnung noch nicht verlassen, und es war fast fünfzehn Uhr. Er wußte nicht, wo der Tag geblieben war, aber er hatte das Gefühl, er sollte irgend etwas tun. Also holte er den Fahrstuhl und fuhr in die Lobby hinunter, um nach seiner Post zu sehen. Eine perfekte, sinnvolle Beschäftigung.
    Dort versah ein neuer Portier seinen Dienst. Jack glaubte sich erinnern zu können, daß er Elmo hieß, und Elmo war offenbar darüber informiert worden, daß Jack ein Sportfanatiker war. Daher wechselten sie ein paar Bemerkungen über die Knicks (die in den Finals gegen die Lakers mit null zu zwei zurück lagen) und ob die Tatsache, daß die Mets sechs Spiele hintereinander gewonnen hatten, tatsächlich von Bedeutung war. Elmo glaubte schon. Jack war sich nicht so sicher.
    Jack holte die Post aus seinem Briefkasten und blätterte sie im Fahrstuhl während der Fahrt nach oben durch. Es war nichts Besonderes dabei. Die Broschüre eines Kreuzfahrtschiffs. Zwei Zeitschriften. Einige Rechnungen.
    Wieder in seiner Wohnung, blätterte er die Magazine durch, fand im New Yorker einen Artikel, der ihn interessierte, während seine Suche in Vanity Fair erfolglos blieb. Caroline war die Magazinleserin gewesen, und Jack hatte ihre sämtlichen Abonnements verlängert. Es war ein weiterer dürftiger Versuch gewesen, ihre Präsenz in der Wohnung zu erhalten. Er wußte, daß es eigentlich nicht sinnvoll war, aber er konnte sich nicht dazu durchringen, die Magazine abzubestellen.
    In der Tagespost befand sich nicht Persönliches und nichts wirklich Interessantes. Bis Jack auf einen kleinen quadratischen Umschlag stieß. Er war an ihn adressiert, trug die richtige Adresse, aber keine Postleitzahl. Die handgeschriebene Absenderadresse verriet, daß der Brief von Kid Demeter kam. Als Adresse war 487 Duane Street und

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