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Ich bin alt und das ist gut so

Ich bin alt und das ist gut so

Titel: Ich bin alt und das ist gut so Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Ruetting
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Vielleicht gelingt es …
    Zur aktuellen Situation: Es tut sich etwas. In der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland hat es wohl noch nie so eifrige Diskussionen zum Thema Sterben und Sterbehilfe gegeben wie seit Beginn unseres neuen Jahrhunderts und in den vergangenen Monaten. Der Ruf nach einer gesetzlichen Regelung der Sterbehilfe wird lauter.
    Im Jahr 2001 verabschiedeten die Niederländer eine gesetzliche Regelung. Die Medien in Deutschland verkündeten zunächst, es hätte überwiegend Stellungnahmen und eine Mehrheit dagegen gegeben. Hochrangige Politiker wurden zitiert. Als dann die DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR HUMANES STERBEN (DGHS) mit einer aktuellen Repräsentativ-Umfrage bekannt machte, die Mehrheit der Bevölkerung sei dafür, legten andere Umfragen nach. Wieder einmal zeigte sich die Schere zwischen politischen Meinungs-Eliten und der Bevölkerung.
    Über das Sterben einzelner Menschen kann natürlich nicht in demokratischen Wahlen abgestimmt werden. Aber wir können uns in unserer Gesellschaft dahingehend einigen, dass jeder Bürger möglichst so sterben können darf, wie er selbst möchte, und nicht, wie andere Gruppen, Verbände oder Parteien dies für richtig halten.
    Heutige Umfragen zeigen, dass 70% der Bevölkerung eine Sterbehilfe befürworten und eine Gesetzesänderung verlangen.
    Nach der niederländischen Regelung folgten die gesetzlichen Regelungen in Belgien und in Frankreich. Und schließlich wurde bekannt, dass es auch in der Schweiz eine sehr liberale Regelung der Suizidbegleitung gibt, den begleiteten Freitod.
    Wesentlich haben Einzelfälle dazu beigetragen, die Diskussionen in die Printmedien, in den Hörfunk und ins Fernsehen zu bringen. Für mich beispielhaft der Freitod der Schriftstellerin Sandra Paretti. Sie hat ihre Freunde zu einem Festmahl eingeladen und sich anschließend von dieser Welt verabschiedet. Ich erinnere auch an den berühmten Fall Ramon Sampedro in Spanien, ein Querschnittsgelähmter, der sich schließlich mithilfe enger Freunde das Leben, das er als entwürdigend empfand, nehmen konnte; oder an den Fall von Terri Schiavo, der in den USA die Lager spaltete und intensiv auch in Europa diskutiert wurde. Viele von Ihnen werden noch den Namen Diane Pretty in Erinnerung haben, die nach langem Leiden im Jahr 2002 starb und vergeblich versucht hatte, bis zum Europäischen Gerichtshof ein Recht auf Suizid in England zu erstreiten. Der Gerichtshof hatte geurteilt, dass das Grundrecht auf Leben nicht das Recht einschließe, mithilfe eines Dritten zu sterben.
    Ich weiß, dass wir alle hier das anders sehen, und danke der DGHS, dass sie für dieses Recht kämpft. Ich bin Mitglied geworden, weil ich verzweifelt mit ansehen musste, dass meine eigene Mutter nicht in Würde sterben durfte. Ich habe damals ein Gedicht geschrieben:
    Meine Mutter
    In Schaumgummi verpackt von Kopf bis Fuß,
    so wund.
    Schmerzverkrümmte Finger, nicht mehr zu öffnen,
    meine Mutter.
    Petersilie, lallt ihr Mund ohne Gebiss,
    die Kinder kommen und wieder ist keine
    Petersilie im Haus!
    Haben wir sie so ausgepowert,
    der Krieg oder einfach das Leben?
    Es wird schon, lügt der Arzt,
    wir stärken das Herz, es wird schon!
    Nichts wird.
    Die Kehle ihr zudrücken, das müsste ich,
    aber ich habe nicht den Mut.
    Und muss zusehen,
    wie sie langsam krepiert,
    meine Mutter.
    Das war 1970. Ich weiß nicht, wie sie als gläubige Christin sich zur Sterbehilfe geäußert hätte. Aber ich weiß, dass ich nicht so sterben will wie meine Mutter. Ich will, dass mir geholfen wird, mein Leben selbst zu beenden. Ich weiß, das klingt für viele provokant – aber dieses Recht gestehe ich ja auch meinen geliebten Haustieren zu, wenn ihr Leben unerträglich geworden ist. Und ich nehme es für mich ebenfalls in Anspruch.
    Die zentrale Frage, die in Deutschland, im Land der Glaubens- und Religionskriege (doch nicht nur hier) eine Rolle spielt, ist die Frage nach der Verfügungsgewalt des Menschen über sein eigenes Leben. Ich bin der Auffassung, dass der Mensch über sein Leben und Sterben selbst entscheiden können sollte. Wer sonst? Dennoch wird in der öffentlichen Diskussion direkt oder indirekt meist die kirchliche Dogmatik entgegengehalten: Gott habe das Leben gegeben, nur er dürfe es nehmen.

    Ich bin der DGHS dankbar, dass sie überprüfen ließ, wie die Bevölkerung darüber denkt. Im Jahr 2000 gab die DGHS eine repräsentative Umfrage bei Forsa in Auftrag. Nur 17 Prozent der Befragten waren der Ansicht, Gott habe

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