Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition)
sondern ein Irrer, der nicht den geheimen Schlüssel zur Mathematik in sich trug, sondern ein Durcheinander aus Bedeutungslosigkeit.
Nein, das war nicht R., sagte ich mir. Doch warum ertappte ich mich dann dabei, wie ich mich erkundigte, was eine Überfahrt nach Amerika kostete? Warum verkaufte ich heimlich eine Halskette aus der Brautaussteuer meiner Frau? Wozu brauchte ich Bargeld, wenn nicht für eine Schifffahrt? Nie zuvor, vor dieser Zeit, hatte ich das Deck eines großen Schiffes gesehen, ebenso wenig wie den tosenden, tiefen und launenhaften Ozean oder die grauen Hochhäuser des kalten Boston, in dem nie die Sonne schien. Warum malte ich mir all das dann so fiebrig aus, als wäre es mein Schicksal?
(… ja, warum eigentlich? War er es nun auf dem Foto, oder war er es nicht? Bin ich nach Amerika gereist und habe ihn dort getroffen oder bin ich in Indien geblieben und habe ein Kind gezeugt, aus dem ein weiteres hervorging, das ein drittes gebar, das zufällig dich zur Welt brachte? Was ist denn nun, Rajesh? Du Schreiberling, du Tyrann: Brich die Geschichte hier nicht ab, zum Teufel! Bring sie zu Ende!)
Ich bin Henker
Ich bin Henker. Sagen Sie, ist das ekelhaft? Zu große Schande? Wenn ich nützliche Fürsorgearbeit ausführe, in Ihrem Namen und mit Ihrem Geld? Vor kurze Zeit als ich frisch verheiratet war, ich brachte meine neue Frau Margaret nach Hause. Vor unserem Hochzeittag Margaret und ich haben nur im Computer geredet, wo wir entzückende Austauschungen hatten. Aber als sie meinen Beruf hörte, wurde sie sauer: »Du Idiot! Du Affe! Du Betrüger! Du widerlicher, schmutziger Kerl! Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich dich niemals geheiratet!« Dabei liefen die Nasenschleime aus ihrer Nase.
In unserem kleinen und berühmten Land ich bin Oberster Henker. Eigentlich einziger Henker. Ist das kleiner Posten? Ist das widerlicher und schmutziger Posten? Posten für Affe? Ich konnte nicht in rot geweinte Margaret-Augen und Gesicht mit nassen Tränen gucken, deswegen zielte ich meinen Blick auf Küchenschabe in der Ecke. »Ich habe dir klipp und klar gesagt«, sagte ich zu ihr. »Ich arbeite im öffentlichen Dienst, vierter Rang, siebter Dienstgrad, eingesetzt seit rund fünfzehn Jahren im Justizministerium, Abteilung Bestrafung, Revision und Bewährung, verdiene soundsoviel Geld im Jahr, mit Pensionen und Zusatzleistung. Es ist heikles Unterfangen, in meinem Alter Frau als Brautfrau zu finden, und ich bin schon einmal geschieden außerdem, aber bitte nenn mich nicht Lügner. Ehrliches Leben ist gutes Leben, hat mein Papa immer gesagt. Sogar deine Mummy-Daddy haben gelächelt, als sie von meinem Beruf hörten. Ich sage ehrlich, deine Mummy-Daddy hatten es eilig, dich endlich unter die Laube zu bringen, sie haben dich Wörter genannt wie ›Winterhühnchen‹ oder ›Weihnachtskuchen in Januar‹, was ich persönlich nicht schön gefunden habe. Wenn du jetzt weiter jammerst, liebe Margaret, wo du vielleicht nicht in der Position bist und wo jetzt alles geregelt ist und man nichts mehr machen kann, ist nichtsnützig, dumm und absolut nicht fair. Da, wisch ab.« Ich reichte ihr mein Taschentuch für die Nasenschleime.
»Pah!«, sie machte und haute mir Taschentuch aus der Hand.
Darf ich ehrlich sein? In solchen Momenten oberstes Chefziel in meinem Kopf war, Hochzeit vollkommen offiziell zu machen, wie und was egal. Wollte ich unbedingt. So lange war es her, seit ich Frau im Haus hatte! (Oder irgendeine andere Sache in dieser Art.) Ich versuchte, von meinem Beruf wegzulenken. Ich setzte mich vor sie. Ich machte Lächelmund. »Margaret, du bist so pralle und hübsche Braut«, ich sagte zu ihr und hielt ihr meine Hände vor wie Spiegel. »Jede Braut ist traurig in Hochzeitsnacht. Das ist so reizend und gar nicht ungewöhnlich. Du vermisst nur Mummy-Daddy. Und vielleicht bist du argwöhnisch wegen geheimnisvollen Pflichten und Forderungen von Ehefrauleben. Ich kann dir sagen, liebe Margaret, Ehefrauleben bringt sehr viel Genuss. Dunklen Genuss und weich wie Butter. Magst du Pralinen? Magst du süßen Quark? So ist Ehefraupflicht, nicht anders. Komm. Wir gehen in Schlafzimmer und ich zeige dir. Willst du mir zuerst ein paar von deinen Übungen vormachen, von deiner Gymnastik?«
»Wovon redest du?«, sie fragte mich.
»In Computerprofil hast du gesagt, du machst jeden Tag solche Übungen.«
»Pah!«, machte Margaret noch einmal. Sie rannte in Schlafzimmer (mein Schlafzimmer) und riegelte Tür zu. Von Türeknallen
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