Ich bin kein Serienkiller
kam und sah, dass sie am zweiten Opfer arbeitete, sagte Mom kein Wort, als ich mir Schürze und Mundschutz nahm und ihr und Margaret half.
»Was fehlt hier?«, fragte ich, während ich für Mom die Flaschen hielt, damit sie Formaldehyd in die Pumpe füllen konnte. Margaret hatte nur ein paar Organe auf dem Tisch liegen, die sie mit dem Trokar durchbohrte und leer saugte. Ich nahm an, der Rest sei schon im Bauchraum. Mom hatte die Leiche mit einem Tuch abgedeckt, und ich wollte nicht darunterschauen, solange sie direkt neben mir stand.
»Was?«, fragte sie, während sie goss und die Markierungen am Behälter der Pumpe im Auge behielt.
»Beim letzten Mal fehlte eine Niere«, sagte ich. »Welches Organ ist es dieses Mal?«
»Die Organe sind alle da«, erwiderte sie lachend. »Lass mal Ron in Ruhe – er wird doch nicht jedes Mal etwas verlieren. Ich habe aber mit deiner Schwester über die Dokumente gesprochen. Sie muss wirklich genauer lesen und es mir sagen, wenn sie etwas Ungewöhnliches findet. Manchmal weiß ich nicht, was ich mit dem Mädchen anfangen soll.«
»Aber … bist du sicher?«, fragte ich. Der Mörder hatte ganz bestimmt etwas mitgenommen. »Vielleicht war es die Gallenblase, und Ron nahm an, der Kerl habe sie sich schon entfernen lassen, und achtete nicht weiter darauf.«
»John, Ron und die Polizei – und das FBI, wie ich hinzufügen muss – haben diese Leiche mehr als eine Woche lang untersucht. Gerichtsmediziner haben mit größter Sorgfalt nach allem Möglichen geforscht, das ihnen helfen könnte, den Geisteskranken zu finden. Falls er ein Organ entnommen hätte, wäre es ihnen nicht entgangen.«
»Er ist undicht.« Ich deutete auf die linke Schulter des Toten, wo eine hellblaue Chemikalie heraussickerte und zusammen mit geronnenem Blut das Laken verfärbte.
»Ich dachte, ich hätte alle Löcher gestopft.« Sie schraubte die Flasche mit dem Formaldehyd zu und reichte sie mir. Dann zog sie das Laken zurück, um die Schulter und den dick verbundenen Armstumpf freizulegen, an dessen Ende blauer und purpurner Schleim herausquoll. Der Arm fehlte. »Mist«, sagte sie und eilte, um weiteres Verbandszeug zu holen.
»Sein Arm fehlt?« Ich starrte meine Mutter an. »Ich habe gefragt, was fehlt, und du hast seinen Arm nicht erwähnt?«
»Was?«, fragte Margaret.
»Der Killer hat den Arm mitgenommen.« Ich trat näher an die Leiche heran und zog das Laken zurück. Der Bauch war wie beim ersten Opfer aufgerissen, aber es war dieses Mal nicht ganz so schlimm. Die Schnitte waren kleiner, und es waren nicht so viele. Der Tote – dem Anhänger nach hieß er Dave Bird und war Farmer gewesen – war nicht ausgeweidet. »Dieses Mal hat er die Organe nicht herausgenommen und aufgestapelt.«
»Was tust du da?« Mom riss mir unwirsch das Laken aus der Hand und bedeckte den Toten wieder. »Etwas mehr Respekt, bitte!«
Ich redete zu viel und wusste es auch, aber ich konnte nicht mehr aufhören. Es war, als hätte jemand meinen Schädel geöffnet, und jetzt purzelten alle Gedanken einfach heraus.
»Ich dachte, er hätte etwas mit den Organen gemacht«, sagte ich, »aber er hat wohl nur nach irgendetwas gesucht. Er hat sie nicht angeordnet oder mit ihnen gespielt oder …«
»John Wayne Cleaver!«, rief Mom empört. »Was, um alles in der Welt, redest du da?«
»Das ändert das ganze Profil.« Ich hätte gern geschwiegen, aber mein Mund bewegte sich wie von selbst weiter. Diese Entdeckung war einfach zu aufregend. »Es geht nicht darum, was er mit den Toten macht, sondern darum, was er ihnen nimmt. Als er die ganzen Organe herausnahm, ging es ihm einfach nur darum, eine Niere zu finden. Es war gar kein Todesritual …«
»Ein Todesritual?«, fragte Mom. Margaret legte den Trokar weg und sah mich an. Ihr Blick durchbohrte mich förmlich, und mir dämmerte, dass ich Ärger bekommen würde. Ich hatte schon viel zu viel gesagt. »Würdest du das bitte erklären?«
Jetzt musste ich es herunterspielen, aber ich hatte mich schon viel zu tief hineingeritten. »Ich wollte damit nur sagen, dass der Mörder nicht mit den Leichen gespielt hat. Das ist doch gut, oder?«
»Du warst aufgeregt«, warf Mom mir vor. »Du bist vor Aufregung knallrot angelaufen, als du den aufgerissenen Körper des Toten gesehen hast.«
»Aber …«
»Ich habe es dir angesehen, John. Ich glaube nicht, dass ich so etwas schon einmal beobachtet habe, und es hing mit dem Toten zusammen … Ein echter Mensch mit einer Familie und einem
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