Ich blogg dich weg!
der Probe hatte ich immer noch vor Augen.
Wenn ich meiner Katze auf den Schwanz trete, hört sich das besser an!
shili153
JULIE
Ich konnte nicht aufhören, schon wieder nicht. Noah hatte mir gestern Abend den Link von YouTube geschickt. Das Video von unserer Generalprobe war schon im Netz und wieder war ich anscheinend die Letzte, die es mitbekommen hatte. Wer wusste außer mir davon? Wer hatte mich gestern in der Schule komisch angesehen? Hatte es irgendwelche Bemerkungen gegeben, die ich nicht verstanden hatte? Ich wusste es nicht mal genau, denn ich redete eigentlich nur noch mit Jasmina und Sebastian.
Wieder und wieder musste ich auf dieses Proben-Video klicken und dann die Kommentare lesen. Epic fail und Die kann nicht singen, sieht aber scharf aus!! waren die ersten. Ich kannte die Leute nicht oder vielleicht kannte ich sie, aber ich wollte sie nicht kennen. Das Video hatte schon über hundert Klicks, nicht viel, gemessen an dem, was unter anderen Videos stand, die als Vorschläge rechts in einer Leiste angeboten wurden. Videos wie „Dummes Kind macht Fahrradtrick“ oder „Mädel sucht Freund“ hatten über zehntausend. So viele Leute hatten sich angesehen, wie sich jemand lächerlich macht. Scheiße, dachte ich. Hatte ich nicht selbst vor einiger Zeit – es kam mir wie eine Ewigkeit vor – über das Video mit dem kleinen dicken Jungen und dem Jedi-Schwert gelacht?
Die Herbstferien, als ich hier die alten Serien geschaut hatte und durch den Wald gejoggt war, kamen mir so lange her vor. Gewohnheitsmäßig schaute ich auf der Seite von Conrad vorbei, aber da gab es nichts Neues. Nicht einmal einen Link zu YouTube . Aber ich wusste, dass das kommen würde. Bald.
Ich war heute wieder nicht in der Schule gewesen. Meine Eltern waren vor mir zur Arbeit gegangen und da hatte ich es einfach nicht fertiggebracht, hinunter zur Bushaltestelle zu gehen und normal zu tun. Was hieß schon normal? Am liebsten hätte ich mich versteckt. Doch als Jasmina nachmittags anrief und eine außerordentliche Bandprobe vorschlug, hatte ich eingewilligt. Ich werde es ihnen allen zeigen, hatte ich kampfeslustig gedacht. Jetzt war es kurz vor fünf, die anderen von Jase Noju wollten um sechs hier sein und ich hätte am liebsten abgesagt. Ich hatte mich eben schon eingesungen, aber mein Hals schwoll wieder zu und ich konnte nichts dagegen tun, einfach gar nichts. Ob ich leise summte oder viel Wasser trank – ein weiterer Tipp meiner Gesangslehrerin –, mein Hals war einfach dicht.
Mein Geheimnis war: Wenn ich singen würde, also wirklich singen, dann müsste ich meine Gefühle zeigen. Aber die waren fest in mir verknotet. Das Einzige, was ich wirklich spürte, war Angst. Und Wut. Und das passte einfach nicht zu den Gute-Laune-Songs, die wir spielten, oder zu den Balladen, die von verlorener Liebe handelten.
Trotzdem stellte ich mich natürlich vor das Mikro, Marek zählte an und wir spielten Sweet Home Alabama zusammen. Sebastian hatte das vorgeschlagen. Ich versaute bereits den ersten Einsatz. Marek hörte auf zu trommeln.
„Nicht schlimm, sofort noch mal“, sagte Sebastian.
Mir standen die Tränen in den Augen.
„Vielleicht erst mal was anderes“, schlug Jasmina vor. Sie lächelte mich unsicher an. „Auf welches Lied hast du denn Lust?“
„Keine Ahnung.“
„Keine Ahnung? Kenn ich nicht, den Song“, sagte Marek. Er fand sich anscheinend ziemlich witzig, aber als Jasmina ihm einen schnellen Blick zuwarf, hielt er die Klappe.
„ True Colours ? Nein?“, schlug Jasmina vor. „Dann such dir was anderes aus.“
„Sing du!“ Mit mir hatte es keinen Zweck.
„Nein“, sagte Jasmina sofort. „Du bist unsere Sängerin. Nur wegen dieses doofen Videos?“
„Versuch’s doch wenigstens mal, Jassy!“, meinte Marek sofort. Seit wann nannte er Jasmina denn so? „Ich meine, ist doch klar, dass es dir nicht gut geht“, sprach er mit einem Blick auf mich weiter. „Und wenn du dich auf dem Schulfest blamierst, tust du genau das, was alle wollen.“
„Wer will das?“, fragte ich.
Marek wurde rot und stotterte herum. „Na ja, alle. Die, die dieses Profil gemacht oder jetzt das Video hochgeladen haben.“
„Und du?“, fragte ich.
„Hey, jetzt schiebst du aber Paranoia, oder?“ Marek versuchte zu grinsen, aber es kam nur ein verzogenes Gesicht dabei heraus.
„Okay“, sagte ich und holte tief Luft. „Am besten ist es, wenn ihr hier allein zu Ende probt.“
„Nein, Julie!“, sagte Jasmina. „Das
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