Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen
Mona Lisa so zauberhaft lächelt. Da gibt es zum Beispiel kanadische Kunstwissenschaftler,die mithilfe moderner Infrarotstrahlen herausgefunden haben wollen, dass Mona Lisa über ihrem Kleid einen hauchdünnen Schleier trägt, der zwar (Überraschung!) mit bloßem Auge nicht zu erkennen sei, aber typisch war für Frauen, die im frühen 16. Jahrhundert gerade ein Kind zur Welt gebracht hatten. Viva la Mamma Lisa! Noch schöner allerdings ist die Ferndiagnose eines amerikanischen Zahnarztes, veröffentlicht im ›Journal of Forensic Sciences‹. Der will unter Monas Lippe eine Narbe gesichtet haben und deutete ihre berühmte Mundstellung deshalb als Folge ausgeschlagener Schneidezähne. Humor ist, wenn man trotzdem was zu lächeln hat.
Derlei Deutungen sind zwar kaum mehr als Kokolores, sie bringen uns aber einem Phänomen näher, das es tagtäglich in deutschen Büros zu beobachten gibt und vor allem Frauen betrifft. Nicht, dass die sich im Job regelmäßig vor Kieferfrakturen fürchten müssten. Dennoch neigen Frauen dazu, gute Miene selbst zum bösesten Spiel zu machen. Manche lächeln auch dann noch tapfer und charmant weiter, wenn sie schon schamlos ausgenutzt, über- oder gar hintergangen werden. Mona-Lisa-Syndrom heißt dieses Phänomen bezeichnenderweise.
Was harmlos klingt, hat mitunter dramatische Folgen. Obwohl seit Jahren mehr Frauen Abitur machen und in der Berufsausbildung sowie im Studium meist schneller sind und auch besser abschneiden als ihre männlichen Kollegen, spielen sie in den Führungsetagen deutscher Unternehmen bislang nur eine Komparsenrolle. Im Jahr 2010 kam etwa eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zu dem Ergebnis, dass gerade einmal 2,5 Prozent aller Vorstandsmitglieder der 200 größten Unternehmen in Deutschland weiblich sind. Das Ganze lässt sich auf die Kurzformel bringen: Je höher die Position, desto eher bekleidet sie ein Mann. Zudem verdienen Frauen in den meisten Berufen noch immer im Schnitt 23 Prozent weniger als Männer in vergleichbaren Positionen und mit vergleichbarer Qualifikation. Zum Lachen ist das wahrlich nicht.
Als die Heidelberger Psychologin Monika Sieverding einmaluntersuchte, warum Männer bei Bewerbungen häufig besser abschneiden, fand sie heraus: Männer reden deutlich länger über ihre Stärken als Frauen. Im Schnitt lobten sich die Männer drei Minuten und 42 Sekunden lang selbst, Frauen dagegen nur zwei Minuten und 50 Sekunden. Sicher, die knapp eine Minute Unterschied hört sich an wie eine Lappalie, ihre Folgen sind es aber nicht. Lächeln und Schweigen sind eben nicht immer Gold, im Gegenteil: Schlechtes Selbstmarketing sorgt nicht nur für weniger Einkommen und seltenere Beförderung – es spielt sogar eine Rolle beim Scheitern. In einer Umfrage des Bundesverbands Deutscher Unternehmensberater hielten 28 Prozent falsche Bescheidenheit für einen der Top-1 0-Karrierekiller .
Wir geben gerne zu, dass der Grat zwischen penetrantem Eigenlob ohne Substanz und sublimer Selbstpromotion schmal ist. Dieses ständige Werben für sich und sein Können liegt nicht jedem, und es erfordert Fingerspitzengefühl, sonst bekommt es leicht den Hautgout eines Profilierungsneurotikers. Frauen hassen das. Wir auch. Es sollte aber trotzdem nicht als Ausrede für unstrategisches Verhalten dienen.
Während Männer zum Beispiel regelmäßig Informationen zurückhalten oder gezielt gegen eine Nebenbuhlerin verwenden, um sich Vorteile zu verschaffen, sind Frauen kollegial, scheuen die Bühne, schmücken sich nicht mit fremden Federn, sondern weisen auch noch darauf hin, wer alles am Erfolg mitgewirkt hat. Das ist in der Tat unglaublich edel, fair und wird geschätzt – am meisten jedoch von denen, die davon profitieren: allen anderen.
Tatsache ist nun mal: Im Job kommt man zuweilen an eitlen Macht- und Reputationsspielen nicht vorbei. Die großartigste Leistung verpufft, wenn sie keiner bemerkt. Und da Chefs und andere potenzielle Förderer keine Hellseher sind, muss man ihnen ab und an zeigen (und auch sagen), was alles in einem steckt. Das beginnt zum Beispiel damit, sich in Meetings häufiger zu Wort zu melden, die eigene Meinung zu sagen und dabei – wie zufällig – bisherige Erfahrungen und Erfolge aus vergangenenProjekten zu erwähnen. Oder kleine, aber nicht unwichtige Dominanzgesten besser zu parieren. Kollegen, die einen nie ausreden lassen, gehören umgehend (aber charmant) in die Schranken gewiesen:
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