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Ich finde dich

Ich finde dich

Titel: Ich finde dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harlan Coben
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lebte, vor sechs Jahren in einem Künstler-Refugium zu suchen gehabt? Ich musste weitere Fotos von ihm sehen. Ich musste mehr über ihn in Erfahrung bringen, und beginnen würde ich …
    Hier. Hier in Lanford.
    Das war die Lösung. Schließlich hatte das College immer noch sämtliche Studentenakten, die allerdings nur vom Studenten selbst oder mit dessen Erlaubnis eingesehen werden konnten. Ich hatte mir meine vor ein paar Jahren angeschaut. Eigentlich stand nichts Erwähnenswertes drin, außer dass mein Spanischprofessor aus dem ersten Studienjahr – Spanisch hatte ich danach abgewählt – vermutete, dass ich »Anpassungsprobleme« hätte und mir ein Besuch beim College-Psychologen eventuell helfen könnte. Das war natürlich Blödsinn gewesen. Ich war furchtbar schlecht in Spanisch – Fremdsprachen sind meine akademische Achillesferse –, und man durfte nach dem ersten Studienjahr ein Fach abwählen, ohne dass es in den Notendurchschnitt einging. Der Professor hatte den Vermerk handschriftlich eingetragen, was es für mich irgendwie noch schlimmer machte.
    Aber zurück zur Sache.
    Es könnte etwas in Todds Akte stehen, das mir etwas über ihn verriet. Ich musste nur an die Akte herankommen.
    Wenn Sie jetzt fragen: »Was sollte das sein?«, müsste ich antworten: »Ich habe keinen blassen Schimmer.« Trotzdem wäre es ein Anfang.
    Und was weiter?
    Das Naheliegendste: Versuche herauszubekommen, was mit Natalie ist. Falls sie noch glücklich mit ihrem Todd verheiratet war, konnte ich die ganze Sache sofort fallen lassen. Das war doch wohl der direkteste Weg. Die Frage lautete nur: Wie sollte ich das angehen?
    Ich setzte eine frühere Online-Suche fort und hoffte, auf eine Adresse oder einen Hinweis zu stoßen, fand aber absolut nichts. Angeblich verbringen wir heutzutage ja unser ganzes Leben online, aber in Natalies Fall musste ich feststellen, dass das nicht zutraf. Wenn eine Person im Dunkeln bleiben wollte, konnte sie das. Man musste einen gewissen Aufwand betreiben, konnte sich dem Raster aber entziehen und unsichtbar werden.
    Die nächste Frage lautete: Warum sollte jemand diesen Aufwand betreiben?
    Ich überlegte, ob ich ihre Schwester anrufen sollte, falls ich ihre Telefonnummer herausbekäme, aber was hätte ich dann sagen sollen? »Hi, äh, hier ist Jake Fisher, die alte, äh, Flamme Ihrer Schwester. Äh, ist Natalies Mann zufällig vor Kurzem gestorben?«
    Das wäre dann doch etwas sehr plump.
    Ich erinnerte mich, wie ich ein Telefonat zwischen den beiden Schwestern mitgehört hatte, in dem Natalie Julie in vertraulichem Ton von mir vorgeschwärmt hatte: »Ey, warte mal, bis du meinen wunderbaren Freund kennenlernst …« Und, ja, wir haben uns ja dann schließlich auch noch kennengelernt. Irgendwie. Bei Natalies Hochzeit mit einem anderen Mann.
    Natalies Vater war tot. Ihre Mutter? Das gleiche Problem wie bei ihrer Schwester. Freunde und Freundinnen? Das war auch so eine Sache. Natalie und ich hatten unsere gemeinsame Zeit fast ausschließlich in den Refugien in Kraftboro, Vermont, verbracht. Ich hatte in dem einen Refugium an meiner politikwissenschaftlichen Dissertation geschrieben, Natalie arbeitete im benachbarten Refugium, einer umgebauten Bio-Farm, an ihrer Kunst. Ursprünglich sollte ich sechs Wochen bleiben. Ich blieb doppelt so lange, erstens, weil ich Natalie kennengelernt hatte, und zweitens, weil meine Konzentration auf das Schreiben völlig unmöglich geworden war, nachdem ich Natalie kennengelernt hatte. Ich war nie in ihrer Heimatstadt im Norden New Jerseys gewesen, und sie hatte mich nur auf einen kurzen Besuch auf den Campus begleitet. Unsere Beziehung hatte die Seifenblase in Vermont nie verlassen.
    Ich sehe das allgemeine Kopfnicken ganz genau. Ah, denken Sie, das erklärt alles. Es war eine Sommerromanze in einer vollkommen unwirklichen Welt bar jeder Verantwortung und jedes Realitätsbezugs. Unter solchen Umständen blühen sowohl Liebe als auch Besessenheit schnell auf – meist ohne Wurzeln zu schlagen, so dass sie verwelken, sobald der kühle September sich ankündigt. Und Sie sagen mir, dass Natalie mit größerer Einsicht gesegnet war, weil sie diese Tatsache erkannt und akzeptiert hatte und ich nicht.
    Ich habe vollstes Verständnis für diese Haltung. Aber ich kann nur entgegnen, dass sie in diesem Fall nicht zutrifft.
    Natalies Schwester hieß Julie Pottham. Vor sechs Jahren war Julie verheiratet und hatte einen Sohn im Säuglingsalter. Ich suchte ihren Namen im Internet.

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