Ich gegen Dich
machen wir eine Collage, und das mach ich am liebsten.«
»Also ich kann dich jetzt nicht hinbringen, mir ist grad was dazwischengekommen. Und überhaupt, du wolltest zu Hause bleiben, seit du aufgestanden bist.«
»Stimmt überhaupt nicht.«
Er hockte sich neben sie, und sie sah ihn mit Tränen in den Augen an. »Was ist los?«
»Ich hab gedacht, du würdest auch hier sein. Ich hab gedacht, es wär dein freier Tag. Ich will nicht mit Karyn allein sein.« Sie steckte sich den Daumen in den Mund und schaute auf ihre Füße. »Mir ist immer so zum Heulen neben ihr.«
Mikey spürte wieder, wie es in seinem Magen ziepte. Er legte ihr beide Hände auf die Schultern und lenkte ihren Blick auf sich. »Die Schule hat vor einer halben Stunde angefangen, Holly. Wenn ich dich jetzt hinbringe, kriegen wir richtig Ärger. Sie schimpfen mit mir und mit Mum noch dazu. Außerdem ist niemand da, um dich abzuholen, also würden wir alle zweimal Ärger kriegen. Dann schicken sie irgend so eine neugierige Frau bei uns vorbei, die uns lauter Fragen stellt. Und was das heißt, weißt du doch, oder?«
Holly nickte, die Augen weit aufgerissen bei dem Gedanken an Kinderheime. Damit klappte es immer.
Sie ging hinter ihm her die Treppe runter und setzte sich auf den Teppich im unteren Flur. Im Wohnzimmer plärrte der Fernseher. Wenigstens hatte Karyn es geschafft aufzustehen.
Mikey setzte sich auf die unterste Treppenstufe, um seine Sneaker anzuziehen. »Wenn Mum wiederkommt, sag ihr, sie soll mir eine SMS schicken.«
»Kommt sie bald wieder?«
»Vielleicht.« Näher an die Wahrheit schaffte er es nicht.
»Und wenn nicht?«
»Na, dann darfst du den ganzen Tag mit Karyn fernsehen. Sag ihr, dass du die Hälfte der Sendungen aussuchen darfst, okay?«
»Sag du's ihr.«
Aber er wollte da nicht rein, falls sie versuchen würde, ihn aufzuhalten. Wenn er es zu Sienna schaffen wollte, bevor er sich mit Jacko traf, musste er jetzt los.
Er gab Holly ein Küsschen auf den Kopf. »Ich komm später wieder und bring ein paar Einkäufe mit. Ich besorg uns was Schönes.«
»Und wenn du von 'nem Bus überfahren wirst?«
»Bestimmt nicht.«
»Aber wenn doch?« Aus ernsten Augen sah sie ihn an. »Bitte geh nicht.«
Aber er musste. Da war nichts zu machen. Er zog seine Jacke an, machte den Reißverschluss zu und trommelte sich wie ein Gorilla auf die Brust. Sonst brachte sie das zum Lachen; diesmal nicht.
ZEHN
K aryn McKenzie ist 'ne Schlampe, das weiß jeder.«
Ellie kannte weder dieses Mädchen noch irgend sonst jemand von denen, die sich auf dem Schulhof um sie scharten, in kleinen Grüppchen herumstanden und lauschten.
»Sie hat in der Achten mit Sex angefangen«, sagte das Mädchen. »Damit hat sie wochenlang angegeben. Und weißt du noch, das Gerücht über sie und diesen Collegestudenten?«
Ellie nickte. Karyn war eine Lügnerin und kam aus einer kaputten Familie. Sie hatte sich volllaufen lassen und mit Tom geschlafen, und am nächsten Morgen hatte sie es sich anders überlegt. Ellie wünschte, sie wäre schon vor Tagen wieder zur Schule gegangen. So beliebt war sie noch nie gewesen.
»Ich hab gehört, die ist voll durchgeknallt«, sagte ein anderes Mädchen, »hat Platzangst gekriegt oder ist depri geworden oder irgend so was.«
»Das ist das schlechte Gewissen«, sagte die Erste wieder. »Wenn man uneingeladen und voll nuttig aufgestyled bei 'nem Jungen zu Hause antanzt, muss es einen nicht wundern, wenn er einen flachlegt, oder?«
Mehrere Jungs lachten. Einer klopfte Ellie auf den Rücken, als wären sie seit Jahren die besten Kumpels. »Und, haben sie deinen Bruder gleich zweimal angeklagt?«
»Hä, wieso?«
»Sie ist doch erst fünfzehn, oder?« Grinsend beugte er sich näher vor. »Haben sie ihn einmal angeklagt, weil sie zu jung ist, und dann nochmal, weil er ganz vergessen hat zu fragen, ob sie es wollte?«
Aber noch bevor sie ihm sagen konnte, dass er sich verpissen solle, kamen Rebecca und Lucy aus ihrer Studiengruppe angelaufen. Lucy nahm ihre Hand: »Du bist wieder da!«
»Klar.«
»Das hätten wir nicht gedacht.«
Sie stellten eine Frage nach der anderen – warst du im Haus, als es passiert ist? Stimmt es, dass du am Morgen mit Karyn gesprochen hast? Hat sie dir gesagt, dass sie zur Polizei gehen wollte?
Ellie versuchte, ruhig zu bleiben. Sie fühlte sich, als wäre sie eine Treppe raufgerannt oder als hätte sie plötzlich einen Asthmaanfall bekommen. Andere Leute reden zu hören war das eine; aber sie
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