Ich habe einen Namen: Roman
sie
mir auf der Nase sitzt, und sie gibt einem eine gewisse Würde.«
»Aber die Gläser sind
raus.«
»Die sind nach den
Pocken rausgefallen. Hab mir nie die Mühe gemacht, sie zu ersetzen.«
»Wie sieht es innen in
deinen Augen aus?«
»Wie nichts sieht’s
aus«, sagte er. »Ich sehe nichts. Kein Licht. Keine Dunkelheit. Es ist so, als
hätte ich keine Augen. Aber ich weiß noch, wie die Welt aussieht.«
Wir saßen eine Weile
schweigend da. Dann schüttete ich etwas Wasser in einen alten eisernen Topf und
stellte ihn auf den Herd.
»Wenn das Wasser heiß
ist«, sagte Daddy Moses, »kannst du dann was reintun?«
»Ich habe Zitrone, Rum
und Zucker.«
»Das nennen wir in
Birchtown Priester-Limonade.«
»Warum?«
»Der Sheriff hat mal
einen unserer Männer bei einer Feierei in Shelburne festgehalten und gefragt,
was er da trinken würde«, sagte Daddy Moses, »und unser Mann hat gesagt: ›Iss
nichts wie Priester-Limonade.‹«
Daddy Moses und ich
nahmen unsere heißen Getränke und redeten stundenlang, während meine Wehen
immer stärker wurden. Endlich, als mein Körper bereit zu sein schien, presste
ich wieder und wieder und wieder, konnte aber keinen Kopf mit den Händen
fühlen. Ich wusste nicht mal, wie nahe ich dran war, und bekam Angst, dass das
Baby für immer in mir festsitzen, ersticken und uns beide umbringen würde.
Ich nahm noch einen
Schluck Priester-Limonade, und plötzlich begann mein Körper zu arbeiten.
Während Daddy Moses
meine Hand hielt, presste ich und ächzte. Den Rücken gegen die Wand gelehnt und
die Beine weit geöffnet, presste ich mit aller Kraft, die ich in mir hatte. Ich
spürte, wie der Kopf aus mir glitt, und mit der nächsten Welle kam auch der
Rest meines Babys.
Ich sah nach unten, sah
den jüngsten Menschen der Welt, nahm ihn und streckte mich mit ihm auf der
Brust auf dem Bett aus.
»Himmel noch mal, gute
Frau, sag mir, was du auf diese Welt gebracht hast.«
Aber in diesem Moment
dachte ich nicht an Daddy Moses oder das Geschlecht meines Babys. Ich fühlte
mein Herz gegen die Brust meines Kindes schlagen, legte meine Hand sanft auf
seinen Rücken und deckte uns mit der trockenen Decke zu, die ich neben das Bett
gelegt hatte. Das kleine Herz schlug direkt gegen meines.
Meine Kinder waren wie Phantomglieder
Ich nannte
meine Tochter May, nach dem Monat ihrer Geburt. Wenn sie ihre kleinen Anfälle
bekam, weil ich sie nicht schnell genug an die Brust nahm oder, als sie älter
wurde, Kartoffeln und Gemüse nicht schnell genug vermischte, nannte ich sie
»Little May First« – die kleine May zuerst –, und das schon am Tag nach ihrer
Geburt. Ich wusste nicht, was ich von den Stimmungen des Mädchens halten
sollte. Manchmal hatte es den Anschein, als wären alle Übel dieser Welt in
ihrer kleinen Seele eingepfercht und warteten nur auf eine Entschuldigung, um
hervorzubrechen. Noch bevor sie ein Jahr alt war, schrie sie und schlug mir auf
den Rücken, damit ich sie auf den Boden stellte und selbst herumtapsen ließ. Es
gefiel ihr, von den anderen Frauen in Birchtown gehalten zu werden, ganz
besonders von Mrs Alverna Witherspoon, einer weißen Loyalistin, die uns, nicht
lange nachdem meine Tochter geboren worden war, mit einer Anstellung half. Aber
wenn May dann wieder genug von ihren Ersatzmüttern hatte und zurück auf meinen
Arm wollte, schrie sie Himmel und Erde zusammen, falls es nicht gleich
passierte.
Wann immer ich ausging – um zu unterrichten, in der Druckerei zu arbeiten oder Babys auf die Welt zu
bringen –, band ich mir May mit einem Stück schönem, indigogefärbtem Stoff auf
den Rücken. Ich redete mit ihr über alles, noch bevor sie etwas verstehen
konnte. Ich hatte das Gefühl, dass meine Stimme sie für all das entschädigen
musste, was ihr fehlte, für den Vater und die Traditionen meines Heimatdorfes.
Ich erklärte ihr, dass ich den Stoff, mit dem ich sie so nahe bei mir hielt, in
einem Geschäft gekauft hatte, das Alles auf der Welt hieß, und dass Neger nur in ein paar
Läden in Shelburne willkommen waren. »Du musst wissen, wo du nichts zu
befürchten hast und wo doch«, sagte ich zu ihr.
Alverna Witherspoon kam
regelmäßig in Theo McArdles Druckerei. Ihr Mann war im Walgeschäft, und Mrs
Witherspoon brachte zweimal monatlich seine Anzeigen. McArdle bediente sie
immer, während ich hinten in der Druckerei blieb und mich um verwechselte P’s
und Q’s und andere Fehler im Satz kümmerte, der für den Druck vorbereitet
wurde. Eines
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