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Ich habe einen Namen: Roman

Ich habe einen Namen: Roman

Titel: Ich habe einen Namen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Hill
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Lesen bei und nahm sie überallhin mit, war aber
meist zu beschäftigt und müde, um mit ihr zu spielen.
    Die Überwindung von
Mays Krankheit verband uns noch stärker mit den Witherspoons. Sie gaben uns
alte Decken nach Birchtown mit und schenkten mir sogar einen alten Bettrahmen,
damit wir nicht direkt auf der Erde schlafen mussten. Jedes Mal, wenn ich zur
Arbeit kam, wurde May an der Tür von Mrs Witherspoon begrüßt, die sich viel mit
ihr beschäftigte, während ich arbeitete. Mr Witherspoon versorgte mich mit
Lampenöl, bis er das Walgeschäft mangels Nachfrage im Sommer 1787 aufgeben
musste. Am Tag, als er sein Geschäft schloss, bestanden er und Mrs Witherspoon
darauf, dass wir mit ihnen zu Abend aßen und über Nacht blieben. Ich erzählte
von den langen Monaten des Wartens in New York, bevor wir weggekonnt hatten,
und sie erzählten, dass sie ihr Land und ein schönes Haus verloren hätten, als
sie Boston im Revolutionskrieg verlassen hatten und nach Shelburne gekommen
waren.
    »Warum schließen so
viele Geschäfte?«, fragte ich Mr Witherspoon.
    »Sie haben diesen Hafen
zu eilig gebaut«, sagte Mr Witherspoon. »Alle waren überzeugt, Shelburne würde
das nächste New York werden. Aber die Jobs sind nie gekommen. Die Leute haben
kein Geld zum Ausgeben, und die Geschäfte werden ihre Waren nicht los. Diese
Stadt wird so schnell wieder zusammenbrechen, wie sie aufgebaut wurde.«
    Eine ungewöhnliche
Hitze breitete sich im Juli dieses Jahres über Shelburne und Birchtown aus. Die
Mücken waren gemeiner als alle, die ich in Süd-Carolina erlebt hatte, und Bären
kamen bis an den Rand der Stadt, um sich in den Gärten zu bedienen und den Müll
zu durchwühlen. Nur wenigen Negern war Land zugeteilt worden, und die Engländer
hatten die Lebensmittellieferungen eingestellt. Die Männer jagten Rehe und
Elche, um so viel Fleisch wie möglich für den Winter einzupökeln. Die meisten
gesunden Männer und Frauen suchten in Shelburne Arbeit, aber davon gab es immer
weniger. Mr Witherspoons Walgeschäft war nur eines von vielen, das geschlossen
hatte. Die Löhne fielen, besonders für die Neger. Mit neun Pence verdienten sie
im Hafen weniger als ein Drittel von dem, was ein Weißer bekam, doch den Weißen
ging es auch nicht viel besser. Firmen, die noch Arbeit hatten, stellten oft
lieber die billigen Neger ein, worauf sich immer mehr weiße Arbeiter zornig in
den Wirtshäusern trafen. Viele von ihnen waren versehrte Soldaten, die wie die
Neger nach Shelburne gekommen waren, nachdem sie den Briten in den Kolonien
gedient hatten. Ihre zerlumpten Kleider und ausgemergelten Gesichter zeigten
deutlich, wie schwer sie es hatten, und es war klar, dass diese Männer eine
große Gefahr für uns Schwarze darstellten.
    Eines Abends Ende Juni,
als May und ich bei den Witherspoons fertig waren, liefen wir die Charlotte
Street Richtung Water Street hinunter. Für gewöhnlich ging May so lange, bis
sie müde wurde, dann setzte ich sie mir für den Rest des Wegs auf die Hüfte.
    »Wie weit möchtest du
heute Abend gehen?«, fragte ich sie.
    »Bis zum ersten
Wirtshausschild«, sagte sie.
    »Nur bis zum ersten
Wirtshausschild? Das ist nicht weit genug. Wie wäre es mit dem Ende der Water
Street?«
    »Nein, Mama, da sind zu
viele Männer. Nimm mich hoch, Mama, jetzt sofort.«
    Ich nahm meine Tochter
auf den Arm und sah die Straße hinunter. Bei einem Schild mit der Aufschrift Milligan’s Ale schikanierte eine Gruppe weißer Männer einen schwarzen Arbeiter auf einer
Leiter.
    »Was machst du da oben,
Junge?«, rief einer der Männer.
    »Das Dach reparieren«,
sagte der Arbeiter und griff nach dem Hammer an seinem Gürtel.
    Ich versteckte mich mit
May zwischen zwei Geschäften und linste um die Ecke des Hauses. Ich konnte
sehen, wie die Männer den Schreiner von der Leiter zu schütteln versuchten. Er
hielt sich an der Dachrinne fest, um nicht umzustürzen. Die Männer zogen ihm
die Leiter weg und ließen ihn in der Luft hängen.
    Ein Mann in einem
weißen Kittel kam aus dem Wirtshaus. »He! Gebt die Leiter zurück. Der Junge
arbeitet für mich, und er hat da was zu reparieren.«
    Zwei der Männer stießen
den Wirt zurück nach drinnen. Die anderen verhöhnten den dahängenden Arbeiter,
und als er zu Boden stürzte, fielen sie über ihn her, traten und schlugen ihn,
schleppten ihn zum Anleger und warfen ihn in den Hafen.
    Der Schreiner kämpfte
sich aus dem kalten Wasser, aber sie warfen ihn wieder und wieder hinein. Die
Männer

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