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Ich habe einen Namen: Roman

Ich habe einen Namen: Roman

Titel: Ich habe einen Namen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Hill
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umgeworfen. Ich sah zu ihr hinüber und fragte mich, wie sie die Überfahrt
hatte überleben können. Nicht weit saß Fomba auf dem Boden, die Ellbogen um die
Knie gelegt, die Hände auf den Ohren und die Augen fest geschlossen. Er wiegte
sich vor und zurück, und derselbe Mann, der mich festgebunden hatte, schlang
jetzt auch ein Seil um ihn. Nur zu dritt vermochten sie Fomba aufzurichten. Er
hing in ihren Armen, totes Gewicht, aber noch nicht tot. Ein Mann riss Fomba
die Hände von den Ohren und schrie ihn an. Andere sammelten sich um die beiden.
Ich konnte Fomba nicht mehr sehen. Wir, die Gefangenen, die keiner haben
wollte, waren damit verteilt und wurden gebündelt.
    Die Toubabu mit den
Seilen gingen jeder mit zwei, drei oder vier kranken, leidenden Gefangenen
davon. Mein Toubab packte das Seil um Fombas Leib, zog ihn zu mir und führte
uns einen staubigen Weg hinunter. Ich sah mich nach Chekura, Biton und Fanta
um, konnte aber weder von ihnen noch von sonst einem der gesunden Gefangenen
etwas entdecken.
    Fomba ging nur ein paar
Schritte neben mir. Seine Augen waren geöffnet, doch er sah nichts und
niemanden. Der Toubab trat mir schon wieder auf die Zehen, und ich schrie auf.
Fombas Kopf fuhr zu mir herum. Seine Augen füllten sich mit Leben, und er
starrte mich an. Endlich sah er mich. Meine Stimme schien das Einzige, was ihn
aus seinem Dämmer zu lösen vermochte. Ich schämte mich. In Bayo hatte er uns
gedient, jetzt brauchte er mich.
    »Wie geht es dir?«,
fragte ich.
    Er lächelte.
    »Wenn ich Wasser
finde«, sagte ich, »bringe ich dir etwas.«
    Fomba öffnete den Mund,
aber nichts, nicht ein Geräusch, kam daraus hervor.
    Nachdem wir eine Weile
gegangen waren, kamen wir zu einem jungen Heimatländer, der bei einem
Pferdekarren stand. Bei ihm warteten zwei gefesselte Gefangene, ein Mann und
eine Frau. Ich kannte sie nicht. Sie stammten nicht von unserem Schiff und
sahen stärker und gesünder als ich aus. Ich flüsterte ihnen ein paar Worte zu,
aber es war klar, dass sie weder mich noch sich untereinander verstanden.
    Der Toubab brachte uns
in eine neue Ordnung. Mit jeweils fünf Schritten Abstand band er uns in eine
Reihe. Leib an Leib. Fomba kam als Erster direkt hinter den Karren, darauf
folgte der zweite Mann, der aussah, als wollte er davonlaufen. Die junge Frau
kam vor mich, und ich sah sie nach links und rechts blicken und dann auch zu
mir, als ich hinter sie gebunden wurde. Der Toubab kletterte auf den Karren und
klopfte seinem Pferd mit einer Rute auf den Rücken. Das Pferd lief los, der
Karren setzte sich in Bewegung, und uns blieb keine Wahl, als ihm zu folgen.
    Wir gingen
den ganzen Tag. Ohne Wasser. Ohne Essen. Ohne Pause, um uns zu erleichtern.
Wenn es sich nicht mehr aufhalten ließ, lief mir der Urin an den schmerzenden
Beinen herunter und brannte in der rissigen Haut. Manchmal konnte ich seitlich
einen Blick auf das große Wasser erhaschen, aber meist waren wir von Bäumen
umgeben, Land, dem endlosen Weg und Sümpfen zu meiner Linken. Zu Hause hatte
ich nie so nasses Land gesehen. Gräser und Schilf wuchsen daraus hervor.
    Moos bedeckte die
Bäume, lockeren Kleidern gleich. Die Karrenräder drehten sich, und ich sah
ihnen stundenlang zu, sah, wie sie sich drehten, bewegten, nicht innehielten,
nicht nachgaben. Die Räder faszinierten mich, und ich versuchte mir
vorzustellen, meine Beine wären so und rollten immer weiter, weiter und weiter
durch die Sonne. Der für den Toubab arbeitende Heimatländer ging mit gesenktem
Kopf in unserer Nähe, wie ein geschlagener Hund.
    Als wir für die Nacht
hielten, blieben wir angebunden, durften uns aber auf den Boden legen. Ich
legte mich neben die Frau, die vor mir gegangen war. Wir sahen uns offen in die
Gesichter, und ich verspürte eine große Erleichterung, zwei freundliche Augen
zu finden. Der Heimatländer, der für den Toubab arbeitete, setzte ein Feuer in
Gang und kochte einen Maismehlbrei. Er füllte ihn in Kalebassen, die mich mit
schrecklichem Heimweh erfüllten, und gab uns auch Wasser. Hinterher deutete er
auf die Erde, und ich setzte mich und streckte mich aus.
    Die Frau und ich, wir
rückten zusammen, und sie legte den Arm um mich. Ich war dankbar für ihre Wärme
und ihren Trost, obwohl ich sie nie darum hätte bitten können. Ihre Sprache war
mir unbekannt, und so zeigten wir aufeinander, um unsere Namen auszutauschen.
Tala. So hieß sie. Wir zeigten auf den Eimer und tauschten die Worte für Essen,
Wasser und den Mond aus. Und die

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