Ich habe sie getötet: Roman (German Edition)
mit mir zu flirten, so als könnte das seine Gefühle – und meine – zunichtemachen. Großer Fehler. Gewaltiger Fehler. Das hat alles nur noch schlimmer gemacht, denn nun mussten wir miteinander reden .
In einer Gruppe zu sein hat einander widersprechende Aspekte; es bedeutet Öffentlichkeit und Ungestörtsein zugleich. In den Kneipen, in die wir abends gingen, herrschte ein ständiges Kommen und Gehen. Dort drängten sich die lärmenden Horden von Mittzwanzigern, die halbe Liter Bier kippten und Wein und manchmal auch halbe Liter Wein, die Pillen einwarfen und über alles und jedes in Gelächter ausbrachen. Für Paul und mich stellten sie eine wunderbare Deckung dar; so wurden wir auf schmalen Bänken, in der Schlange vor einem Club oder im Taxi aneinandergedrängt. Inmitten des riesigen Stimmengewirrs bekam niemand die Nuancen unserer Gespräche mit.
Auf diesem Stand hätte meine Verliebtheit bleiben können, wären nicht zwei Dinge passiert. Erstens fingen Jessie und Pug an, sich zu streiten. Wenn ich nach einem Wochenende mit Jessie telefonierte oder wir zusammen ins Kino gingen, bekam ich immer häufiger Kommentare zu hören, die nichts Gutes verhießen. Es sollte nicht mehr lange dauern, bis sie sich trennten. Eines Abends standen sie einander in einem Pub gegenüber und stritten sich lautstark über die Vorzüge von Strumpfhosen gegenüber Strümpfen und umgekehrt. Ich merkte, dass Paul mich ansah. Uns lief die Zeit davon. Wenn die beiden nicht mehr zusammen waren, würden wir nicht so ohne weiteres einen Vorwand finden, uns zu treffen.
Zweitens machte Pugs Kollege Steve mir den Hof. Er flirtete wie wild und lud mich zu einer unglaublich illustren Veranstaltung mit Smokingzwang ein, für die eine Freundin von ihm, die im PR-Bereich arbeitete, Extrakarten besorgt hatte.
In gewisser Weise war ich sogar froh. Meine Phantasien darüber, wie Paul und ich zusammenkommen könnten, waren alle längst ausgelaugt: Tausend Erdbeben, bei denen seine Frau umgekommen war, hatten er und ich überlebt; ich hatte mich auf allen nur denkbaren Wegen im Schneesturm den Mont Blanc hinaufgeschleppt und ihn schließlich im Unterstand kurz vor dem Gipfel gefunden; fast ein Jahr lang hatte ich jede Nacht, überall und in sämtlichen Stellungen mit ihm Sex gehabt. Allmählich wurde ich müde. Ich brauchte eine Ablenkung, und die bot Steve mir. Außerdem sollte Paul mit Eloide zu dem Event erscheinen, und den ganzen Abend so zu tun, als würde ich für ihren Mann in etwa so viel empfinden wie für Pug, das erschien mir viel zu anstrengend. Dann aber wurde Eloide in letzter Minute nach Paris beordert, weil jemand aus ihrer Familie krank war. Die Sterne begaben sich in die richtige Konstellation.
Der Abend hat in meiner Erinnerung etwas Dramatisches. Die Farben sind intensiver, meine Freunde geistreich und witzig, ich selbst bin – wenigstens das eine Mal – schön. Binnen kurzem waren wir alle angeschickert vom kostenlosen Champagner, ich gewann beim Roulette zwanzig Pfund, Jessie verlor beim Würfeln ein Vermögen, ich deckte mich bei einer Zigarettenverkäuferin ein und ließ mich von der Stimme eines berühmten Sängers auf die Tanzfläche locken. Steve und ich schütteten uns aus vor Lachen, als wir dort zusammenprallten und in hohem Bogen Champagner durch die Gegend spritzten. Ich war siebenundzwanzig und berauscht von meiner Jugend und all dem Neuen.
Kurz danach nahm Paul mich beim Arm und zog mich weg. »Du interessierst dich nicht für den, oder?«, fragte er und sah mich finster an.
»Doch.« Monatelang hatte ich mich nach etwas verzehrt, das ich nicht kriegen würde, und jetzt konnte ich ihn dafür bestrafen.
Er packte mich fester am Ellbogen und lotste mich quer durch die überfüllte Tanzfläche zu einer Brandschutztür und ins Freie. »Wir müssen reden.«
»Worüber?«
»Spiel keine Spielchen mit mir.«
»Du bist derjenige, der Spielchen spielt. Du bist verheiratet, schon vergessen?«
»Er ist nichts für dich …« Er verstummte.
»Zu schade aber auch!« Ich fing an, ihn zu schlagen, richtig heftig. So lange hatte ich davon geträumt, dass wir die Dinge endlich beim Namen nannten – jetzt war der Augenblick gekommen, und er machte mich krank. Paul fing meine Hände ein und hielt sie fest.
»Hör zu, du Dumme! Eggy, bitte!« Er war ziemlich betrunken.
»Damit du mir erzählen kannst, dass du das eine haben willst, ohne das andere zu lassen?«
Er drückte meine Hände neben der Feuerleiter gegen
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