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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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einem Rachen, der Feuer speit. Und das ist nur eines der Wunder.«
    Der nämliche Bürgermeister hatte bereits seine Anweisungen von mir erhalten, soweit es das grobe Benehmen der Londoner gegen Anne betraf. Für den Fall, dass irgendwelche Beleidigungen den Tag beeinträchtigen sollten, hatte ich ihm gräuliche Strafen angedroht. Laut sagte ich: »Und der Bürgermeister wird dich in Greenwich mit der Staatsbarke abholen.«
    »Welch ein Triumph!«, sagte sie, und ihre Stimme hatte einen harten, schneidenden Unterton. »Mein Urgroßvater war Bürgermeister von London – und jetzt soll ich seine Königin sein!« Die hämische Freude stand ihr schlecht. Und als fange sie sich, fügte sie rasch hinzu: »Meine königliche Barke wird einen feinen Anblick bieten. Sie ist jetzt in munterem Gold gehalten, und die Segel sind karmesinrot.«
    »Katharina hat dafür im Moor keine Verwendung«, sagte ich leise. »Obgleich sie immer noch behauptet, sie gehöre ihr.« Der Gedanke an Katharina war wie ein Haufen von ungeschmolzenem Schnee in einem ansonsten blühenden Garten. »Ich erwarte dich an den Stufen des Tower«, fuhr ich fort. »Die Nacht verbringen wir dort in den königlichen Gemächern.«
    »Ich hasse den Tower!«, fauchte sie. »Er ist düster und altmodisch. Er macht mich bedrückt.«
    »Die königlichen Gemächer sind neu gestaltet worden – es ist dort so behaglich wie in jedem anderen Schloss. Es ist Tradition, dass man die Nacht vor der Krönung dort verbringt, und außerdem finden dort die Zeremonien zur Ernennung neuer Ritter des Bath-Ordens statt, und es werden neue Adelstitel verliehen.«
    »Altes Zeug, alte Zeremonien, alte Sitten das alles. Das Alte ist vorbei und vorüber, und es ist meine Sache nicht mehr«, beharrte sie.
    »Das Alte ist niemals vorüber und vorbei. Man kleidet es lediglich neu ein und präsentiert es dann als etwas Neues. Und das sollst du auch tun. Wie du es mit den Ärmeln getan hast. Sind denn Ärmel nicht etwas Uraltes? Und doch hast du sie zu einer aufregenden Entdeckung gemacht.« (Wie unschuldig ich redete – ich, der ich mich von den üppigen, juwelenbesetzten Ärmeln an ihren Kleidern blenden ließ, ohne je zu argwöhnen, dass sie dazu dienten, ihr Hexenzeichen zu verbergen.)
    »Ja«, pflichtete sie mir bei, eifrig darauf bedacht, es mit dem Thema der Ärmel sogleich bewenden zu lassen. »Ich will mich bemühen, aus allem etwas Neues zu machen – eine glückliche Erinnerung für jedermann.«
    »Dessen bin ich sicher, mein Herz. Und ich werde es aus erster Hand miterleben. Auf der Themse, verkleidet. Will Somers bereitet alles dafür vor.« Ich genoss den überraschten Ausdruck in ihrem Gesicht. »Du bist nicht die Einzige, die etwas Neues versucht. Ich werde an diesem Tag einer meiner Untertanen sein, und ich werde deinen Triumph mit ihren Augen sehen.«
    »Was für ein Geschenk macht Ihr mir da«, murmelte sie.
    Ich konnte nicht wissen, dass es die letzte große Feier meiner Jugend sein würde – zum letzten Mal würde ich frohlocken in einem Regen von glitzerndem Gold und hochfliegenden Hoffnungen.

L
    E s war ein prachtvoller Tag. Die, die gewettet hatten, würden Unsummen verlieren, und ich hatte nicht das geringste Mitleid mit ihnen. Die Sonne war in einen wolkenlosen Himmel hinaufgestiegen, und sogar das Wasser war warm. Festliche Stimmung herrschte auf den kleinen Booten, und das Wasser wiegte sie sanft hin und her.
    Will und ich schlüpften leise hinaus, um unsere Plätze in dem leckenden Ruderboot einzunehmen, das Will uns besorgt hatte. Wir waren beide angemessen verkleidet – ich trug einen mottenzerfressenen Mantel und einen verbeulten Hut (den ein königlicher Stallknecht fortgeworfen hatte), und Will hatte sich in den alten Anzug eines Kesselflickers gehüllt, den dieser im Hof zurückgelassen hatte. Welch ein Segen, wenigstens einen glücklichen Tag lang im Hintergrund bleiben zu dürfen!
    Das Aufregende und Unerwartete war unser Losungswort. Plötzlich drang mir Knoblauchdunst in die Nase. Die Leute im Nachbarboot drückten Klumpen von kentischem Käse auf große Scheiben Brot und bestreuten das Ganze mit Knoblauch. Die Brote wanderten vom Bug zum Heck durch das Boot. Sie machten eines zu viel und sahen sich um. Dann erblickten sie mich.
    »Willst du eins?« Sie schwenkten das Brot in der Luft.
    »Aye.« Ich streckte die Hand aus und nahm es entgegen. Will sah mich an und runzelte die Stirn. Ich brach das Brot mittendurch und teilte es mit ihm. Er biss

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