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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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versucht. Jetzt war der Papst aus meinem Reich verschwunden, und nur mit meiner ausdrücklichen Erlaubnis war es ihm gestattet, in unaufdringlicher Weise weiterhin repräsentiert zu bleiben.
    »Giuseppe Dominici, der Nuntius vom Heiligen Stuhl.«
    »Lasst ihn ein«, winkte ich. Ich hatte meinen Platz eingenommen und alle meine Staatsgewänder um mich drapiert. Es war wichtig, dass ich sie trug, wenn ich mit dem päpstlichen Gesandten zusammentraf.
    Die Türflügel schwangen auf, und ein winziges Männlein erschien. Mein erster Gedanke war: Wie kann der Papst einen so kleinen Mann zu seinem Vertreter machen? Aber gleich darauf empfand ich Bewunderung. Nur jemand, der ganz sicher in sich ruhte, konnte einen so wenig beeindruckenden Gesandten in ein Land schicken, das ihm feindlich gesonnen war.
    Der Mann verbeugte sich. »Ich bin Giuseppe Dominici, Botschafter Seiner Heiligkeit Paul iii.« Er hatte ein hässliches, offenherziges Antlitz von der Sorte, die man mit den größten Einfaltspinseln in Verbindung bringt.
    Ich wartete darauf, dass er weiter spreche. Er wartete darauf, dass ich es täte. So herrschte Schweigen.
    »Erzählt mir von Eurer Reise hierher«, begann ich.
    »Sie liegt ein Jahr zurück«, sagte er. »Aber sie dauerte viele Monate. Ich musste gewisse Gebiete der Niederlande durchqueren, die ich nicht gern noch einmal betreten möchte. Mein Habit schien sie aufzustacheln. In Amsterdam bewarf man mich mit Steinen.«
    »Ist es so ernst?«
    »Es gibt ganze Bezirke in den Niederlanden, die man schwarz gekleidet nicht mehr gefahrlos bereisen kann.«
    »Nicht einmal als Witwe?«
    »Nicht einmal als Witwe.« Er lachte. »Die extremen Protestanten trauern nicht, wisst Ihr.«
    Das hatten sie auch abgeschafft? Pfui! »Turbulente Zeiten«, sagte ich. Eine ungefährliche Bemerkung.
    »England ist höflicher.«
    »Es hat einen Herrscher.« Unhöflichkeit gegen Ausländer gestattete ich niemals. »Es ist die Pflicht eines Herrschers, gegen seine Untertanen Milde walten zu lassen.«
    »Auch gegen ihren Glauben?«
    Da. Jetzt kamen wir zur Sache. »Ein christlicher Herrscher ist verantwortlich für die Aufrechterhaltung der Wahrheit und der Heiligen Schrift in seinem Reich.«
    Er hob eine Augenbraue. »Mein Herr, Seine Heiligkeit Paul iii., würde Euch von dieser Verantwortung befreien.«
    Er redete noch unverblümter als ich!
    »Das ist der gesegnete Beruf des Heiligen Vaters«, fuhr er fort. »Unser Herr hat ja vorausgesehen, dass christliche Fürsten ihre Bemühungen auf andere Dinge würden richten müssen, und so hat er in seiner Barmherzigkeit einen Heiligen Vater eingesetzt, der …«
    »Sich überall einmischt«, endete ich für ihn. »Meine geistlichen Pflichten zehren nicht an meinen weltlichen Mitteln.«
    »Aber es ist unmöglich, beiden die gleiche Aufmerksamkeit zu widmen«, wandte er geschmeidig ein. »Niemand kann zwei Herren dienen. Ihr, Eure Majestät, versucht, Gott und dem Mammon dienstbar zu sein. Ihr seid zum Scheitern verurteilt.«
    »Ich weiß nicht, was dieses Wort bedeutet.«
    »Aber Ihr werdet es lernen. Ich sage Euch, es ist unmöglich. Unser Herr hat es gesagt. Ich beziehe mich auf ihn, nicht auf ein irdisches Wesen.«
    »Dann ist Euer Herr, der Papst, ein erstklassiges Beispiel für fehlgeleitetes Streben. Er hat immer versucht, beides zu tun, und es ist ihm nie gelungen. Seine geistliche Führung erreichte einen so niedrigen Stand, dass selbst das gemeine Volk sie ablehnte. Und seine weltliche Führung ging so sehr in die Irre, dass inzwischen halb Europa gegen ihn kämpft. Soll er doch erst einmal selbst den Worten seines angeblichen Herrn folgen!«
    »Seines angeblichen Herrn?«
    »Er behauptet, Christus sei sein Herr. Aber sehen wir Christus in ihm?«
    »Kein Mensch kann in die Seele eines anderen schauen, Eure Majestät.«
    Ich hatte eine scharfsinnige Erwiderung beabsichtigt. Aber er hatte Recht. Ich konnte nicht in die Seele Papst Pauls schauen, und er nicht in die meine. »Nur Gott sieht«, erklärte ich schließlich. »Und dabei müssen wir es belassen.«
    »Ja.« Er verbeugte und bekreuzigte sich. Als er sich wieder aufgerichtet hatte, schauten wir einander schweigend an, als habe das Gespräch jetzt erst begonnen.
    »Die Exkommunikation besteht immer noch?«, fragte ich schließlich.
    »Er kann sie nicht zurückziehen!« Die Stimme des Männchens war erstaunlich tief und voll. »Es war zu viel. Die Auflösung der Klöster, die Drangsalierung der Prinzessin Maria, die Hinrichtung

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